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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin
Autoren: Lea Korte
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Jaime ebenso leise zurück und nahm sie am Arm, damit sie ihre Schritte weiter verlangsamte. Sein Blick ging warnend in Richtung des gegenüberliegenden Gehsteigs. Jetzt bemerkte auch Zahra die beiden Wachleute, die vor dem Kerker patrouillierten. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie meinte, es müsse ihr gleich aus dem Leib springen, aber die beiden schenkten ihnen keinerlei Aufmerksamkeit und gingen weiter. Als sie um die nächste Ecke gebogen waren, meinte Jaime: »Vielleicht haben die anderen ja fliehen können und erwarten uns in unserem Versteck. An die rückwärtige Kerkerseite kommen wir so oder so nur von unserem Versteck aus heran. Von dort aus gibt es einen Zugang über die Dachterrassen der Nachbarhäuser.«
    Jaime führte sie zur nächsten Straßenkreuzung, bog mit ihr in eine Nebengasse und zog sie in ein altes, halb verfallenes Haus. Behutsam schloss er die nur noch an einem Scharnier hängende Tür hinter ihnen, entzündete eine bereitstehende Öllampe und lauschte. Es war offensichtlich, dass sie die Ersten waren. Er fluchte und beschwor Zahra, auf ihn zu warten. Dann hastete er die Stiegen hoch, die vom Innenpatio zur Galerie und zum Dach führten. Ehe er die Dachterrassentür hinter sich schloss, sah er noch einmal kurz zu ihr zurück. »Bitte, Zahra, tu wenigstens einmal in deinem Leben, worum ich dich bitte, und rühr dich nicht vom Fleck!«
    Zahra nickte.
     
    Unablässig lief Zahra in dem finsteren, kalten und modrig riechenden Haus auf und ab. Mehr als ein Mal stieg sie die Treppe zur Dachterrasse hoch, wagte dann aber doch nicht, die Tür zu öffnen, zumal ihr klar war, dass sie nichts hätte ausrichten können: Ohne Waffen war sie niemandem eine Hilfe, und in den Räumen hier hatte sie nichts Brauchbares finden können. Auch an Esther musste sie immer wieder denken, doch mehr als für sie beten konnte sie nicht.
    Eine gute Stunde später hörte sie Schritte auf der Dachterrasse und eilte zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hoch. Als sie die Tür aufriss, stand Jaime direkt vor ihr. Er trug Chalida in den Armen, ihre Tunika war über und über mit Blut durchtränkt.
    »Es sieht schlimmer aus, als es ist«, beruhigte er sie. »Das meiste ist nicht ihr Blut, sondern das des kastilischen Soldaten, der sie festgehalten hat!«
    »Und die anderen?«, fragte Zahra erschrocken. »Gibt es noch mehr Verletzte?«
    »Sie kommen jeden Moment«, gab Jaime ausweichend zur Antwort und ging vor ihr hinunter in den Patio.
    Sie waren kaum unten angekommen, als Raschid eintrat. An seiner Seite ging Abdarrahman; sein rechter Arm war verbunden, an der Stirn war er ebenfalls verwundet. Ihm folgten zwei Diener und drei Wachsoldaten von der Seidenfarm.
    Als Jaime Chalida auf dem Boden ablegen wollte, stöhnte sie vor Schmerz. Augenblicklich hielt er in der Bewegung inne. »Ich kann mir schon denken, dass das verdammt weh tut, aber wenn ich dich jetzt hinlege, darfst du trotzdem auf keinen Fall schreien! Man weiß nie, wer draußen vorbeigeht, und bisher warst du doch auch tapfer!«
    Chalida nickte, biss die Zähne zusammen, und Jaime legte sie vorsichtig ab. Zahra kniete sich vor ihre Tochter und bemerkte sofort die unnatürliche Stellung des rechten Armes.
    »Wie hat sie sich die Schulter ausgekugelt?«
    »Das war der Mistkerl, der sie zurückgerissen hat, als wir fliehen wollten«, knurrte Abdarrahman.
    »Kannst du das hier richten?«, fragte Jaime.
    Zahra nickte und blickte zu ihrem Sohn. »Und was ist mit dir?« In ihren Augen lag die unausgesprochene Frage, ob er denn endlich wieder mit seinem Vater sprach. Als Antwort hob Abdarrahman ebenso verlegen wie unschlüssig die Achseln. Zahra verstand: Zumindest so viel, dass sie sie gemeinsam aus dem Kerker hatten befreien können.
    Auf ihre Frage bezüglich seiner Verletzung brummte ihr Sohn: »Gar nichts, mir geht es gut!«
    Zahra nahm ihm trotzdem den Armverband ab. Die Schnittverletzung war tief, aber nicht bedrohlich, so dass sie den Verband wieder anlegte. Dann ging ihr Blick zu den anderen fünf Männern, und sie erkannte erst jetzt, dass einer von ihnen kein Wachmann, sondern Aaron war. Bleich hockte er in einer Ecke. Er hielt die Augen geschlossen, die Miene war angespannt, die beiden Hände schlossen sich krampfhaft um sein Bein, wo Zahra jetzt auch den notdürftigen Verband bemerkte. Er schien unter großen Schmerzen zu leiden. Nach einem kurzen Zögern ging Zahra zu ihm und kniete sich vor ihn. Aaron schrak zusammen und sah zu ihr auf. Zahra musterte
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