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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin
Autoren: Lea Korte
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nur eingebildet zu haben, als jemand am Oberlicht leise ihren Namen rief.
    »Jaime?«, rief Zahra ebenso leise zurück und meinte oben den diffusen Lichtschein einer Öllampe wahrzunehmen. »Bist du es wirklich?«
    »Ja, sei ganz ruhig. Wir holen euch jetzt da raus! Ist Chalida bei dir?«
    »Ja, ja!«
    »Dann geh mit ihr von dieser vergitterten Öffnung weg – und sag euren Mitgefangenen, dass sie in Deckung gehen sollen. Es gibt gleich zwei Explosionen: Die erste ist weiter weg; mit der wollen wir die Soldaten ablenken. Sobald sie sich nach dorthin auf den Weg gemacht haben, sprengen wir das Oberlicht hier auf. Kommt sofort danach her, damit wir euch rausziehen können; die Wachen werden sich nicht lange von unserem Täuschungsmanöver ablenken lassen!«
    Zahra eilte zu Chalida, weckte sie, trug mit ihr die Jüdin nach hinten und trieb die anderen Frauen mit eilig hervorgepressten Erklärungen in den hinteren Teil ihrer weiträumigen Zelle, damit sie sich dort hinter dem Mauervorsprung verbargen. Aufgeregtes Flüstern breitete sich wie das Summen eines herannahenden Bienenschwarms aus, eine Frau bekam einen heftigen Schluckauf, eine andere schluchzte: »Oh Gott, hab Erbarmen, hilf uns, diesem Kerker zu entkommen!«
    Immer wieder versuchte Zahra, die Frauen mit einem »Psst, so seid doch still, wenn der Wärter uns hört!« zum Schweigen zu bringen, doch die Frauen heulten und jammerten und kreischten immer mehr.
    Kaum hatten sie sich hinter dem Mauervorsprung verborgen, hörten sie in der Ferne die erste Explosion, die so gewaltig war, dass der Boden unter ihren Füßen bebte. Schreiend pressten sich die Frauen in ihrer Ecke zusammen. Immerhin, dachte Zahra, würde der Wärter ihrem Lärm jetzt keine weitere Aufmerksamkeit schenken. Die Frauen wurden gerade etwas ruhiger, als der Geruch von brennendem Öl zu ihnen drang.
    »Achtung, in Deckung!«, schrie Zahra, und in der nächsten Sekunde schossen ihnen auch schon mit einem ohrenbetäubenden Knall Steinbrocken und Geröll entgegen, und direkt danach rollte eine gewaltige Staubwolke auf sie zu. Hustend und keuchend stolperten sie über die Gesteinsmassen zu dem freigesprengten Ausstiegsloch, das jedoch noch immer zu hoch über ihnen lag, als dass sie einfach hätten hinausklettern können. Jemand seilte von oben Öllampen in den Kerker hinab, so dass sie zumindest eine diffuse Richtung vor Augen hatten, und als sie näher kamen, sahen sie die Seile, die von oben heruntergelassen worden waren.
    »Zahra, Chalida, wo seid ihr?«, brüllte Jaime.
    Chalida schlüpfte flink zwischen den anderen hindurch und erreichte ihren Vater; Zahra versuchte, Esther hochzuheben und mitzuziehen. Die Jüdin jedoch fasste sie am Arm und schüttelte den Kopf. »Lasst mich, ich bitte Euch, geht! Ihr habt Kinder und eine Familie – ich habe niemanden mehr. Wenn Ihr Euch mit mir belastet, werden wir nur beide unser Leben lassen. So lauft doch schon, um Himmels willen, lauft, jeden Moment werden die Wärter mit Soldaten kommen!«
    Erst nach einem weiteren guten Zureden der Alten ließ Zahra ihr ihren Willen und kraxelte über die Steinbrocken zum Ausstieg. Sie sah, wie Jaime Chalida nach oben zog, während er in einem fort brüllte: »Zahra, verdammt, wo steckst du?«
    Als sich Jaime diesmal tief in die Zelle herabbeugte, trafen sich ihre Blicke, was eine solche Flut von Gefühlen in Zahra auslöste, dass es ihr fast das Herz sprengte. Oh Gott, wie sehr ich dich liebe!, schoss es ihr durch den Kopf, doch zugleich kam der Gedanke: Aber wozu soll ich hier heraus, wozu mein Leben retten, wenn es keine Zukunft mehr mit dir geben kann und ein Dasein ohne dich nur Folter für mich wäre?
    »Zahra, nun mach schon!«, brüllte Jaime ihr über den Lärm hinweg zu, ließ ihr ein Seil herab und beugte sich so tief herunter, dass sie fast seine Hand berühren konnte. »Los, Zahra, worauf wartest du?«
    Da endlich griffen ihre Hände wie von selbst nach dem Seil. Im nächsten Moment flog die Tür des Kerkers auf. Schreie schwollen an, die Panik unter den Frauen nahm noch zu, und jede stieß jede, das Einzige, was zählte, war, noch rechtzeitig herauszukommen! Jaime zog Zahra hinauf. Ihre Hand lag schon auf dem rettenden Ausstiegsloch, als eine Frau an ihr hochsprang, sich in ihre Tunika krallte und versuchte, über sie hinweg ins Freie zu gelangen – und sie damit beide zu Fall brachte.
    »Verdammt, Zahra, steh wieder auf, fass nach, los, los!«, brüllte Jaime, doch noch ehe Zahra wieder auf die
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