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Das Geheimnis der Maurin

Das Geheimnis der Maurin

Titel: Das Geheimnis der Maurin
Autoren: Lea Korte
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leicht erkannt werden können. Auch seinen wahren Namen hatte Jaime dem Knappen nicht genannt, sondern sich als Bote des Emirs ausgegeben. Den Umständen gehorchend, ließ er seine Hand vom Wams des Burschen gleiten, zwang sich zur Ruhe und wiederholte seine Frage. Mit einem Mal ging die Tür des Empfangszimmers noch einmal auf, und Gonzalo trat heraus.
    »Nanu?«, rief er. »Ein Besucher?« Er sah seinen Knappen ärgerlich an. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass jemand auf mich wartet?«
    Der Bursche bekam einen feuerroten Kopf. »Er, er ist … Aber er ist doch nur ein verd…«
    »›Verdammter Maure‹ wolltest du jetzt aber sicher nicht sagen, oder?«, fiel Gonzalo ihm mit Donnerstimme ins Wort.
    Während der Knappe verlegen vor sich hin stotterte, wandte sich Gonzalo mit entschuldigender Geste seinem Besucher zu – und zuckte unwillkürlich zusammen, als er erkannte, wer sich unter dem tannengrünen Turban verbarg. Mit einer unwilligen Handbewegung hieß er seinen Burschen schweigen und den Raum verlassen. Erst als die Tür hinter dem Jungen ins Schloss gefallen war, sah Gonzalo wieder zu Jaime. Auge in Auge standen sie einander gegenüber, die hoch aufgerichtete Statur des einen so mächtig wie die des anderen, aber ihre Gesichter, die sich vor ein paar Jahren noch so ähnlich gewesen waren wie die von Zwillingsbrüdern, hatten nur noch erstaunlich wenig miteinander gemein. Die Zeit hatte in Gonzalos langes, hageres Gesicht scharf abgegrenzte Falten gegraben, die ihm etwas Hartes und fast einen Hauch Bitterkeit verliehen, nur in den bernsteinfarbenen Augen spiegelte sich die frühere Milde wieder. Jaimes Gesichtszüge dagegen waren trotz der für ihn weit härteren Kriegsjahre und des Leids und Elends, das er und seine Familie in diesen Jahren hatten ertragen müssen, offener geworden, und in den tiefgründigen grünen Augen flimmerte eine Verletzlichkeit, die dort früher nicht zu entdecken gewesen war.
    Gonzalo schürzte den Mund und blickte Jaime so abschätzig an, dass dieser schon befürchtete, er würde doch nach den Wachen rufen und ihn in den Kerker werfen lassen, aber dann wies Gonzalo ihn mit einem knappen Ruck des Kinns an, in sein Empfangszimmer zu gehen.
    Jaime war klar, dass er noch lange nicht aufatmen konnte. Wortlos ging er an seinem Bruder vorbei in den kahlen Raum, der von einem ausladenden Schreibtisch beherrscht wurde. Jaime registrierte, dass der größte Teil der Dokumente und Schriftrollen, die sich dort stapelten, das königliche Siegel trugen. Ehe er mehr erfassen oder gar etwas lesen konnte, verstellte Gonzalo ihm den Blick und wies ihn an, auf einem der Stühle in der Sitzecke am Fenster Platz zu nehmen. Dies entlockte Jaime trotz allem ein spöttisches Grinsen. »Hast du Angst, ich könnte euch ausspionieren?«
    Er nahm den Turban ab, schüttelte die dunkelblonden Locken aus und nahm den ihm angewiesenen Platz ein.
    »Fest steht, dass wir seit Jahren nicht mehr auf derselben Seite kämpfen«, erwiderte Gonzalo mit unverhohlener Feindseligkeit.
    »Eigentlich kämpfen wir beide nicht mehr«, gab Jaime zurück. »Schon vergessen? Die Mauren haben kapituliert!«
    »Außer solchen Spitzfindigkeiten ist dir allem Anschein nach nichts geblieben!«
    Jaime beschloss, auch diesen Fehdehandschuh nicht aufzuheben. Er atmete tief durch, ehe er weitersprach. »Es hat Zeiten gegeben, Bruderherz, in denen du weit, weit mehr als ich auf dieser anderen Seite gestanden hast!«
    »Man kann für einen Gegner durchaus Achtung und Respekt, ja, sogar Freundschaft empfinden, ohne deswegen gleich zu ihm überlaufen zu müssen. Natürlich habe ich mich bemüht, zwischen den Mauren und den Christen zu vermitteln, aber ich habe und ich werde mein Schwert niemals gegen meine eigenen Landsleute erheben!«
    »Das haben auch viele andere in diesem Krieg getan – als Söldner. Und trotzdem schaust du nicht auf sie herab!«
    »Du warst aber kein einfacher Soldat, sondern einer der siegreichsten Heerführer der Krone«, konterte Gonzalo. Statt ebenfalls Platz zu nehmen, stellte er sich hinter einen Stuhl und umschloss mit seinen großen, aber fein geschnittenen Händen die hohe Rückenlehne. »Was willst du?«
    »Carlos Sánchez und Pedro Pulgar …« Jaime sprach bewusst nicht weiter.
    »Was ist mit den Hurensöhnen?«
    »Ich kann sie euch bringen. Aber dafür brauche ich ein paar Männer, gute Männer, versteht sich, mit Pferden und Waffen.«
    »Und warum kommst du damit zu mir?«
    »Ich weiß, dass du
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