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Das Geheimnis der Goldmine

Das Geheimnis der Goldmine

Titel: Das Geheimnis der Goldmine
Autoren: Agatha Christie
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Rücken zum Haus stehen und betrachtete die Umgebung. Mary Dove schätzte die beiden Männer nachdenklich ein. Inspektor Neele und vermutlich ein Untergebener.
    Sie wandte sich vom Fenster ab und begutachtete sich im Wandspiegel auf dem Treppenabsatz. Sie sah eine kleine, ernste Gestalt mit makellosen weißen Kragen und Manschetten auf grau-beigem Kleid. Ihr dunkles Haar war in der Mitte gescheitelt und in zwei glänzenden Wellen zu einem Nackenknoten zurückgekämmt. Sie trug blassrosa Lippenstift.
    Alles in allem war Mary Dove ganz zufrieden mit ihrer Erscheinung. Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen ging sie die Treppe hinunter.
    Inspektor Neele ließ seinen Blick durch das Haus schweifen und sagte zu sich: Reiche Leute! Nennen dieses Haus Zur Eibe als wäre es eine Blockhütte! Inspektor Neele würde dieses Haus viel eher als Palast bezeichnen. Er war nämlich in einer Blockhütte aufgewachsen – sie stand am Tor von Hartington Park, einem riesigen ungastlichen Herrenhaus mit 29 Schlafzimmern, das vom National Trust übernommen worden war. Die Blockhütte wirkte von außen klein, aber gemütlich. Innen war sie feucht, kalt und nur mit den allerprimitivsten sanitären Einrichtungen ausgestattet. Inspektor Neeles Eltern hatten diese Tatsache klaglos akzeptiert. Immerhin zahlten sie keine Miete, und alles, was sie zu tun hatten, war das Tor auf Verlangen zu öffnen oder zu schließen. Außerdem gab es immer reichlich Hasen und vereinzelte Fasane oder Ähnliches für den Eintopf. Mrs Neele hatte nie Annehmlichkeiten wie ein elektrisches Bügeleisen, Gasherd, Kühlschrank oder fließend warmes und kaltes Wasser kennen gelernt, oder die Freude, das Licht mit einem leichten Tippen auf einen Schalter ein- und auszuschalten. Im Winter hatten sie Öllampen, und im Sommer gingen sie schlafen, wenn es dunkel wurde. Sie waren eine gesunde Familie, und eine glückliche dazu, wenn auch hoffnungslos unmodern.
    Diese Kindheitserinnerungen hatte der Name Haus Zur Eibe in Inspektor Neele wachgerufen. Doch dieses pompöse Haus war viel eher eine Villa – die reiche Leute dann gern »unser kleines Landhaus« nennen. Nicht, dass es sich auf dem Land befunden hätte, jedenfalls nach Inspektor Neeles Vorstellung von Land. Das Haus war eine große, stabile Ziegelkonstruktion, eher in die Länge als in die Höhe gebaut, mit vielen überflüssigen Giebeln und bleigefassten Fenstern. Der Garten wirkte künstlich mit seinen Rosenbeeten, Lauben und Teichen und, um dem Namen gerecht zu werden, den vielen gestutzten Eibenhecken.
    Also Eiben waren genug da, falls jemand das Bedürfnis verspüren sollte, Taxin zu gewinnen. Rechts, hinter einer Rosenlaube, war ein Stückchen Natur in Form einer großen alten Eibe übrig geblieben, wie man sie auf Friedhöfen sieht, die Äste mit Stangen gestützt, eine Art Moses der Baumwelt. Dieser Baum, dachte der Inspektor, war schon da, bevor sich die neuen, roten Ziegelbauten ausgebreitet hatten. Er war schon da, bevor die Golfplätze angelegt worden waren und die Modearchitekten ihre reichen Kunden hierher geführt hatten, um ihnen das Landleben schmackhaft zu machen. Und da er eine wertvolle Antiquität war, hatte man den Baum behalten und der neuen Ordnung einverleibt. Vielleicht hatte er dem neuen Landhaus sogar den Namen gegeben. Und vielleicht hatten die Beeren dieses Baumes –
    Inspektor Neele brach diese fruchtlosen Überlegungen ab. Die Arbeit rief. Er klingelte.
    Sogleich öffnete ein Mann mittleren Alters, der genau dem Bild entsprach, das Inspektor Neele sich am Telefon von ihm gemacht hatte. Ein Mann mit einem eher verdächtigen Anschein von Gerissenheit, unstetem Blick und unsicherer Hand.
    Inspektor Neele nannte seinen Namen und den seines Untergebenen und registrierte mit Vergnügen den alarmierten Ausdruck auf dem Gesicht des Butlers. Neele nahm das nicht sehr ernst. Es hatte vermutlich gar nichts mit dem Tod von Rex Fortescue zu tun, sondern war viel eher eine automatische Reaktion.
    »Ist Mrs Fortescue schon nach Hause gekommen?«
    »Nein, Sir.«
    »Oder Mr Percival? Miss Fortescue?«
    »Nein, Sir.«
    »Dann würde ich gern Miss Dove sprechen, bitte.«
    Der Mann wandte den Kopf ein wenig.
    »Da kommt Miss Dove gerade.«
    Inspektor Neele sah Miss Dove gefasst die breite Treppe herunterkommen. Diesmal stimmte sein inneres Bild nicht mit der Realität überein. Die Bezeichnung Haushälterin hatte unbewusst die Vorstellung einer großen, eindrucksvollen Frau beschworen, einer Gestalt in
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