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Das Geheimnis der Goldmine

Das Geheimnis der Goldmine

Titel: Das Geheimnis der Goldmine
Autoren: Agatha Christie
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Summer auf Miss Grosvenors Schreibtisch wie ein lang gezogener, verzweifelter Hilferuf. Miss Grosvenor, die vor Schreck einen Augenblick wie gelähmt dagesessen hatte, erhob sich unsicher. Ein unerwartetes Ereignis wie dieses brachte ihre Sicherheit ins Wanken. Doch sie bewegte sich in ihrer gewohnt statuenhaften Art auf Mr Fortescues Tür zu, klopfte und trat ein.
    Was sie sah, erschütterte ihre Haltung noch mehr. Ihr Arbeitgeber saß vor Schmerzen gekrümmt hinter seinem Schreibtisch. Der Anblick seiner Zuckungen wirkte beängstigend.
    »Oh Gott, Mr Fortescue, sind Sie krank?«, fragte Miss Grosvenor und war sich gleichzeitig bewusst, wie idiotisch ihre Frage war. Es bestand gar kein Zweifel, dass es Mr Fortescue sehr schlecht ging. Sein Körper wurde von schmerzhaften Krämpfen geschüttelt. Sie trat näher. Die Worte kamen ruckhaft, keuchend:
    »Tee – was zum Teufel – haben Sie in den Tee – holen Sie Hilfe – schnell, einen Arzt – «
    Miss Grosvenor stürzte aus dem Zimmer. Sie war nicht länger die hochnäsige blonde Sekretärin – sie war eine durch und durch verängstigte Frau, die den Kopf verlor.
    Sie rannte ins Schreibzimmer und rief: »Mr Fortescue hat einen Anfall – er stirbt – wir müssen einen Arzt holen – er sieht furchtbar aus – er wird bestimmt sterben!«
    Reagiert wurde sofort und auf sehr unterschiedliche Weise.
    Miss Bell, die jüngste Schreibkraft, sagte: »Wenn es ein epileptischer Anfall ist, sollten wir ihm einen Korken in den Mund stecken. Hat jemand einen Korken?«
    Niemand hatte einen Korken.
    Miss Somers sagte: »In seinem Alter ist es wahrscheinlich eher ein Schlaganfall.«
    Miss Griffith sagte: »Wir müssen einen Arzt holen – sofort!«
    Doch ihre übliche Effizienz wurde dadurch gebremst, dass es in ihren sechzehn Dienstjahren noch nie nötig gewesen war, einen Arzt ins Büro zu rufen. Sie hatte wohl einen Hausarzt, aber der war in Streatham Hill. Wo gab es hier in der Nähe einen Arzt?
    Niemand wusste es.
    Miss Bell griff nach dem Telefonbuch und suchte Ärzte unter A. Aber es war kein Branchenverzeichnis, und Ärzte waren nicht untereinander aufgelistet wie Taxiunternehmen. Jemand schlug vor, ein Krankenhaus anzurufen – aber welches Krankenhaus? »Es muss schon das richtige Krankenhaus sein«, sagte Miss Somers nachdrücklich, »sonst kommen die nicht. Wegen des Staatlichen Gesundheitsdienstes, meine ich. Es muss im Bezirk sein.«
    Der Vorschlag, 999 anzurufen, schockierte Miss Griffith, das war doch die Polizei, nein, das kam ganz und gar nicht in Frage. Als Bürgerinnen eines Landes, in dem jeder die Vorzüge des Staatlichen Gesundheitsdienstes genoss, zeigten diese doch relativ intelligenten Frauen ein erstaunliches Unwissen, was das richtige Vorgehen in dieser Situation anging. Miss Bell suchte weiter unter S wie Sanität. Miss Griffith sagte: »Sein Hausarzt – er muss doch einen Hausarzt haben.« Jemand rannte nach dem privaten Adressbuch. Miss Griffith schickte den Büroboten, einen Arzt aufzutreiben, egal wie, egal wo. Im privaten Adressbuch fand Miss Griffith Sir Edwin Sandeman mit einer Adresse in der Harley Street. Miss Grosvenor war auf einem Stuhl zusammengebrochen und jammerte in einem deutlich weniger arroganten Ton als sonst: »Ich hab den Tee wie immer gemacht – wirklich, wie immer – da kann doch nichts Schlechtes drin gewesen sein.«
    »Schlechtes drin?« Miss Griffith hielt inne, die Hand auf der Telefonwählscheibe. »Warum sagen Sie das?«
    »Er hat es gesagt – Mr Fortescue – er sagte, es war der Tee.«
    Miss Griffith Hand schwebte unentschlossen über der Wählscheibe. Miss Bell, jung und optimistisch, meinte: »Wir sollten ihm ein bisschen Senf und Wasser geben. Ist denn gar kein Senf im Büro?«
    Es war kein Senf im Büro.
    Wenig später begegneten sich Dr. Isaacs von Bethnal Green und Sir Edwin Sandeman im Aufzug, während gleich zwei Krankenwagen vor dem Haus hielten. Das Telefon und der Bürobote hatten ihre Wirkung getan.

Zweites Kapitel
     
    I nspektor Neele saß in Mr Fortescues Heiligtum hinter Mr Fortescues riesigem Edelholz-Schreibtisch. Einer seiner Leute saß mit einem Notizbuch unauffällig an der Wand neben der Tür.
    Inspektor Neele sah soldatenhaft ordentlich aus, das drahtige braune Haar streng aus einer eher tief liegenden Stirn zurückgekämmt. Wenn er »reine Routine« sagte, dachte man gewöhnlich abschätzig: Ja, reine Routine ist auch alles, wozu der fähig ist! Doch das war ein Irrtum. Hinter seinem
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