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Das Geheimnis der Götter

Das Geheimnis der Götter

Titel: Das Geheimnis der Götter
Autoren: Christian Jacq
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die täglichen Trankopfer zuständig war, mehrere Zeitweilige. Heute mangelte es ihnen an Schwung, da beunruhigende Gerüchte über die bevorstehende Flut im Umlauf waren. Einige verstiegen sich sogar zu der Behauptung, sie würde vollkommen ausbleiben. Nachdem der Kahle nichts Gegenteiliges behauptet hatte, musste man doch wohl mit dem Schlimmsten rechnen.
    Iker hätte viel lieber ganz Abydos und seine Bauwerke erkundet, aber sein eigentlicher Auftrag drohte, in Frage gestellt zu werden, sollte die segensreiche Flut wirklich ausfallen. Mussten die Felder auf den fruchtbaren Schlamm verzichten, konnten sie keinen Ertrag bringen.
    »Warum verspätet sich denn das Sternzeichen des Orion so?«, fragte er Isis.
    »Die Macht des Unruhestifters berührt Himmel und Erde gleichzeitig«
    »Dann kann er aber kein menschliches Wesen sein.«
    Dass Isis diese Bemerkung unbeantwortet ließ, machte Iker Angst. Wie groß auch immer die Macht der Erleuchteten von Abydos sein mochte – wie sollten sie einen derartigen Gegner besiegen? Dem Baum des Lebens war lediglich Aufschub gewährt worden, neue Stürme brauten sich zusammen. Möglicherweise hatte der Prophet wirklich einen oder mehrere Helfershelfer, die so geschickt getarnt waren, dass sie der Aufmerksamkeit des Kahlen entgingen. Und ausgerechnet er, der Neuling hier, sollte sie ausfindig und unschädlich machen!
    Isis führte ihn geradewegs zum Tempel der Millionen Jahre von Sesostris. Dort waren von den ständigen Priestern Gebetsgesänge zu hören, in denen die Auferstehung von Osiris mit dem Steigen des Wassers in Zusammenhang gebracht wurde. Die junge Frau stellte ihm die sieben Musikerinnen vor, die den göttlichen Geist erfreuen sollten, den Diener des ka, der die geistige Kraft verehrte und bewahrte, indem er die Gemeinschaft mit dem Unsichtbaren verknüpfte, den, der frisches Wasser als Opfer auf den Gabentischen vergoss, den, der über die Unversehrtheit des Großen Leichnams von Osiris wachte, und den Ritualisten, der die Geheimnisse sehen konnte.
    Sie alle waren erstaunt, dass der Königliche Sohn die Goldene Palette bei sich hatte. Als die Priester sahen, wie ehrerbietig der Kahle Iker behandelte, war seine Befehlsgewalt mit einem Mal unumstritten.
    Ohne ihre bewundernden und dann auch wieder
    misstrauischen Blicke zu bemerken, machte sich der Gesandte des Pharaos an die Erkundung des Heiligtums. Mit dem seltsamen Gefühl, er kenne dieses Gebäude schon immer, durchquerte er den Pylonen, ging an riesigen Standbildern vorbei, die den Pharao als Osiris darstellten, gelangte in eine Säulenhalle mit einem Sternenhimmel und blieb schließlich andächtig vor Wandbildern stehen, auf denen der König zusammen mit den Gottheiten zu sehen war.
    Nach langem Nachdenken wandte er sich an die
    versammelten Ritualisten.
    »Wir haben jetzt den zweiten Tag des Monats Thot, und Orion ist noch nicht erschienen. Dieses beispiellose Ereignis zeugt von der Besessenheit unseres Gegners, dem Propheten. Wir können also nicht länger geduldig und tatenlos zusehen.«
    »Was schlägst du vor?«, fragte der Kahle.
    »Wir befragen die Goldene Palette.«
    Und Iker schrieb: »Welche Kraft kann die Flut auslösen?«
    Die Frage verschwand, und die Antwort erschien: »Die Tränen der Göttin Isis.«
    »Jetzt ist es an den ständigen Priesterinnen, die entsprechenden Rituale zu feiern«, entschied der Kahle. Für die Dienerinnen des Osiris war Isis ihre Oberpriesterin, und sie begaben sich auf das Tempeldach. Sesostris’ Tochter sprach die ersten Verse des Liebesgedichts an das Weltall:
    »Möge dein Strahlen die Finsternis erhellen, Orion. Ich bin der Stern Sothis, deine Schwester, ich bleibe dir treu und lasse dich nicht im Stich. Erleuchte die Nacht, ergieße den Fluss von oben auf unsere Erde, lösche ihren Durst.«
    Iker und die Priester zogen sich zurück.
    Auf dem Tempelvorplatz fühlte sich der Königliche Sohn irgendwie beobachtet und belauert – mitten in Abydos, dieser Welt der inneren Ruhe und Heiterkeit, die nur von der Suche nach dem Heiligen beseelt sein sollte! Wie gern hätte sich Iker stiller Betrachtung hingegeben, doch er durfte seinen Auftrag auf keinen Fall vernachlässigen.
    Da er aber keinen Verdächtigen entdecken konnte, sah er zum Himmel auf, von dessen Entscheidung das Schicksal von Abydos und ganz Ägypten abhing.
    Als Iker in seine Richtung blickte, verbarg sich der Prophet hinter einer Mauer. Im schlimmsten Fall hätte der junge Mann auch nur einen zeitweiligen
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