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Das Geheimnis der Äbtissin

Das Geheimnis der Äbtissin

Titel: Das Geheimnis der Äbtissin
Autoren: Johanna Marie Jakob
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von Worten, das für den Kaiser kämpft.«
    »Sein letztes Heer«, bestätigte der Goldschmied stolz. Seine Augen glänzten, als er ihren zufriedenen Blick sah. Er hatte wirklich gute Arbeit geleistet.
    »Jetzt lasst mich allein!«
    »Aber …«
    »Geht in die Küche, esst in Ruhe! Seid mit der einbrechenden Dämmerung wieder hier. Dann zeige ich Euch die vorläufig letzte Ruhestätte der Kiste.«
    Als seine Schritte auf der Treppe verklungen waren, zog sie das Tuch vollständig herunter und betrachtete nun auch die Seitenteile in Ruhe. Sie erkannte den Bericht Friedrichs, Wort für Wort. Der Goldschmied hatte, vielleicht aus künstlerischen Erwägungen, vielleicht auch, um Platz zu sparen, einige Begriffe durch kleine Bilder ersetzt. Auf dem Deckel erkannte sie die Doppelkapelle von Lare, nicht größer als eine Maus, als Symbol für ein Bauwerk des Bischofs. Konrad selbst wurde in Gestalt einer Bischofsmütze dargestellt. Sie musste schlucken, als sie Isabellas Namen neben einem Kreuz zwischen zwei Steinen fand. Wie gern hätte sie dieses Kunstwerk Ludwig gezeigt oder Beringar.
    Sie seufzte. Ihr jüngster Bruder war gewiss schon auf dem Weg nach Italien. Sie schloss die Truhe auf, in der sie auch die Gelder des Klosters verwahrte, und entnahm ihr das goldene Kästchen, in dem Friedrichs Herz ruhte. Andächtig stellte sie es an seinen ursprünglichen Platz zurück und wickelte die Leinentücher darum. Plötzlich hielt sie inne. Das Pergament! Als zusätzlicher Beweis mit Friedrichs Handschrift sollte es wieder in sein geheimes Fach. Sorgfältig schob sie es unter die Lade im Boden. Gerade noch rechtzeitig fiel der Deckel der Kiste zu, als sie erneut Schritte hörte. Verwundert stellte sie fest, dass die Dämmerung bereits einsetzte.
    »Ehrwürdige Mutter?« Der Goldschmied klopfte beherzt.
    »Tretet ein!«
    Sie schloss die Tür hinter ihm. »Habt Ihr einen Schlüssel nachbauen können?«
    »Nein, dazu fehlte mir die Zeit. Aber mit diesem Stichel hier und viel Geduld kann ich den Schließmechanismus auslösen.«
    »Gut, dann ans Werk.«
    Nach kurzer Zeit hörte sie ein deutliches Klacken unter dem Metallblock auf dem Deckel. Während die Glocke zur Vesper rief, zogen sie den Sack über die Kiste. Als alle Schwestern in die Kirche geeilt waren, trugen sie den Sarg zum Nebeneingang an der Sakristei. Dort warteten sie stumm und fröstelnd im dunklen Schatten der Mauern auf das Ende des Stundengebets. Nachdem in der Kirche Ruhe eingekehrt war, zog Judith einen Schlüssel hervor und öffnete die kleine Nebenpforte. Drinnen entzündete sie eine Kerze.
    »Seid vorsichtig, stolpert nicht!«, mahnte sie den Goldschmied, als sie in die Nähe der Baugrube kamen und die Kiste auf dem Boden abstellten. Das scharrende Geräusch hallte überlaut an den Wänden wider.
    »Was ist das für ein Loch?« Er stutzte. »Wollt Ihr etwa hier …«
    »Ja. Das Herz des Kaisers kann ich schließlich nicht irgendwo im Garten vergraben. Fasst mit an.«
    »Der Sack?«
    »Den lassen wir, er schützt vor Schmutz und Kratzern.«
    Neben dem Haufen Bauschutt lagen Seile, mit deren Hilfe sie die Kiste in das mannshohe Loch hinabließen. Rumpelnd setzte sie unten auf. Judith hielt die Kerze über die Grube, doch ihre Leuchtkraft reichte gerade eine Handbreit hinab.
    »Und nun?«, fragte der Goldschmied und sah sich um. »Habt Ihr eine Schaufel?«
    »Sogar zwei«, flüsterte sie und deutete hinter die Säule. »Doch zunächst lasst uns beten.«
    Gemeinsam sprachen sie das Paternoster und schaufelten anschließend im flackernden Zwielicht der Kerze so viel Erde auf die Kiste, dass sie vollständig verschwunden war.
    Schnaufend stützten sie sich auf ihre Werkzeuge. Judith spürte ein Brennen in den Handflächen und fühlte mehrere Blasen.
    »Wir sollten aufhören, ehrwürdige Mutter. Der Schutt in der Grube muss unbedingt festgestampft werden. Das lasst morgen die Knechte erledigen. Die Kiste werden sie auf keinen Fall mehr finden.« Auch der Goldschmied rieb sich die schmerzenden Hände.
    »Ihr habt recht. Werdet Ihr im Dunkeln nach Hause finden?«
    »Mein Isaak findet den Weg allein. Ich muss nur darauf achten, dass er mich nicht abwirft.«
    »Ich wünsche Euch Gottes Segen, ich werde Euch in meine Gebete einschließen.« Sie gab ihm zum Abschied die Hand und führte ihn bis zum Tor. Als die Nacht ihn und seinen Esel verschluckt hatte, schloss sie die Pforte sorgfältig ab und lief ins Haus.
    In der Nacht quälten sie erneut Alpträume, doch jedes Mal,
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