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Das geheime Kind

Das geheime Kind

Titel: Das geheime Kind
Autoren: Thomas Kastura
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gewartet?«
    »Gemeinsam handeln. Am Anfang einer Ermittlung ist das wichtig«, belehrte er sie.
    Sie gingen hinein, Pflasterung mit Verbundsteinen, zu beiden Seiten Beete, Kartoffeln, Lauch, teilweise umgegraben. Ein leicht gebogener Weg führte bis zum Haus. Viel Holz, weiß gefasste Fenster, taubenblauer Anstrich, im skandinavischen Stil. Stufen, eine kleine Terrasse, daneben Rasen. Lehmiger Boden schimmerte zwischen den Grashalmen durch.
    Bäuchlings die Leiche.
    Zahlreiche Markierungen wiesen auf Schuhspuren hin. Clausing, der Gerichtsmediziner, vermaß gerade eine Wunde am Schädel und murmelte etwas von »Knochenrillen«. Einer seiner Helfer machte Fotografien. Dann bemerkte er den Leiter der Mordkommission.
    »Morgen.«
    »Tag, Doc. Was haben wir?«
    »Der Schädel ist gespalten, mehrere Hiebe von hinten, mit einem scharfen Gegenstand. Humusspuren in den Wunden. Ich tippe auf einen Spaten.« Clausing wies auf die Beete. Neben einem reifen Kürbis war die Erde aufgeworfen, frisch und feucht, als habe jemand eine Pflanze samt Wurzelstock ausgegraben.
    Effie Bongartz kam aus dem Gartenhäuschen und nickte Raupach und Photini zu. »Auf der Terrasse haben wir eine leere Schnapsflasche gefunden. Billiger Wodka.«
    Sie gab ihren Kollegen einen Plastikbeutel mit dem Beweismittel. »Und das hier lag direkt neben der Leiche.«
    Es war ein Beutel im Beutel. Ein kleines Stück Haschisch. Pyramidenförmig.
    Effie hatte ihre Jugend in einem Mädcheninternat im Bergischen Land verbracht. Drogen waren dort so verbreitet gewesen wie Gummibärchen. Sie seufzte. »Volle Dröhnung. Kommt alles zur Analyse ins Labor.«
    »Ich würde ihn gern umdrehen«, sagte Clausing.
    Raupach prägte sich das Bild ein. Ein Mann mit einer schlammfarbenen Windjacke, ausgewaschenen Jeans, Turnschuhen aus dem Supermarkt. Die Arme ausgebreitet, als wollte er die Erde umarmen. Um den Kopf herum befand sich eine Blutlache, im Boden versickert, eingetrocknet. Die sichtbare Gesichtshälfte war ausdruckslos, die Augen geschlossen.
    »Nur zu«, sagte der Kommissar.
    Clausing und Effie wälzten den reglosen Körper auf den Rücken. Die Fotokamera des Kriminaltechnikers hielt alles fest. Das Klicken bei jeder Aufnahme, von der Elektronik simuliert, war kaum zu hören.
    Der Tod hatte viele Gesichter. Für Raupach war jedes einmalig, er wollte nicht als einer dieser Bullen enden, die Leichen ausschließlich als Objekte betrachteten. Und Photini, die neben ihm stand, sollte das auch nicht passieren.
    Die wenigen Toten, die sie bislang gesehen hatte, waren verstümmelt, massakriert, verbrannt worden, entstellte Grimassen, die einem nicht gerade die Träume versüßten. Sie betrachtete den Mann und zugleich Raupach, wie er die Unterlippe hochzog und die Leiche mit einem Anflug von Bitternis musterte.
    Mit der richtigen Einstellung hinsehen, dachte sie, fachmännisch, aber nicht ohne Gefühle. Keine lockeren Bemerkungen, um auf Distanz zu gehen und die bösen Gedanken zu verjagen.
    Dieser Tote schien zu schlafen. Als sei er aus dem Leben gestolpert. Ein falscher Schritt. Irgendetwas war immer im Weg. Ein Stein, unerwartet, eine Kante, zu hoch. Am Mundwinkel haftete ein Grashalm.
    Es stimmte: Der Mann war in Raupachs Alter. Seit mehreren Tagen unrasiert, billige Freizeitkleidung, ein kleiner Bierbauch. Auf den ersten Blick wirkte er nicht wie jemand, der sich regelmäßig Joints drehte.
    Effie filzte seine Taschen. Sie war schon seit einer halben Stunde vor Ort. Mit spitzen Fingern und Schutzhandschuhen tastete sie die Leiche ab, geschulte Bewegungen.
    »Wir haben die Tatwaffe noch nicht gefunden. Wurde wohl entfernt, genauso wie der Geldbeutel und was er sonst bei sich trug. Seine Taschen sind offenbar durchsucht worden.«
    »Ist da wirklich gar nichts?«, fragte Raupach.
    »Nicht mal Tabak oder Blättchen zum Selberdrehen. Kein Feuerzeug, kein Hausschlüssel.« Effie schaute hoch. »Identität ungeklärt. Sie müssen einen Gebissabdruck machen, Clausing. Volles Programm.«
    »Zuerst sehe ich mir die Totenflecken an.« Der Gerichtsmediziner war ein Faktenmensch, der sich während der Arbeit zu keiner überflüssigen Bemerkung hinreißen ließ. »Ich würde sagen, Exitus um Mitternacht, vielleicht ein bisschen früher.«
    »Kann es sein, dass die Leiche hier nur abgelegt wurde?«
    Effie und Clausing verneinten. Bislang spreche alles dafür, dass dies hier der Tatort sei.
    Raupach wandte sich ab. »Was ist mit dem Häuschen?«
    »War abgesperrt.« Effie richtete
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