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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen
Autoren: Jo Nesbø
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die Eisenstreben des Schiebegitters über seinen Unterarm strichen. Dass sich der Fahrstuhl in Bewegung gesetzt hatte. Aber in die falsche Richtung. Weiter abwärts. Er spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, als ihm alles klar wurde. Er würde eingeklemmt werden. Der Fahrstuhl war zu einer Zeitl u penguillotine geworden. Auch ihn würde der Fluch treffen.
    » Halt das Gitter fest, Sven! « Es war Harry, der da rief.
    Waaler versuchte erneut, seinen Arm zu heben. Aber Harry war zu schwer. Waaler bekam Panik. Unternahm einen weiteren, verzweifelten Versuch, sich loszureißen. Und noch einen. Seine Füße rutschten auf dem glatten Boden weg. Er spürte die Innenseite der Aufzugkabine an seiner Schulter. Der Verstand verließ ihn.
    » Nicht, Harry. Stopp! «, wollte er rufen, doch Tränen erstickten die Worte.
    » Gnade … «

 
    KAPITEL 43
Nacht auf Dienstag. Rolex
    T ick, tick.
    Harry saß mit geschlossenen Augen da und lauschte dem Sekundenzeiger, zählte mit. Dachte, dass es sicher eine recht genaue Zeitangabe war, denn das Ticken kam von einer gold e nen Rolex.
    Tick, tick.
    Wenn er richtig gezählt hatte, saßen sie jetzt eine Viertelstunde im Aufzug. Fünfzehn Minuten. Neunhundert Sekunden, seit Harry den Fahrstuhl zwischen dem Erdgeschoss und dem Keller angehalten und gesagt hatte, dass sie jetzt in Sicherheit seien. Nur noch warten müssten. Neunhundert Sekunden hatten sie mucksmäuschenstill dagesessen und gelauscht. Auf Schritte. Stimmen. Türen, die geöffnet oder geschlossen wurden. Wä h rend Harry mit geschlossenen Augen die neunhundert Ticks der Rolex am Handgelenk des blutigen Arms gezählt hatte, der auf dem Boden der Aufzugkabine lag und noch immer an ihn gekettet war.
    Tick, tick.
    Harry öffnete die Augen. Schloss die Handschellen auf und fragte sich, wie er je wieder den Kofferraum seines Autos aufbekommen sollte, nachdem er den Schlüssel geschluckt hatte. » Oleg «, flüsterte er und schüttelte den apathischen Jungen vorsichtig an der Schulter. » Ich brauche deine Hilfe. «
    Oleg kam auf die Beine.
    » Was habt ihr vor? «, fragte Sivertsen und blickte zu Oleg auf, der sich auf Harrys Schultern stellte und die Leuchtstoffröhren an der Kabinendecke löste.
    » Nimm «, sagte Harry statt einer Antwort.
    Sivertsen hielt Oleg die Hände hin. Er reichte ihm eine der beiden Röhren.
    » Damit sich meine Augen an das Dunkel im Keller gewöhnen, bevor ich rausgehe «, sagte Harry. » Und um nicht zur hell erleuchteten Zielscheibe zu werden, wenn sich die Aufzugtüren öffnen. «
    » Waaler? Im Keller? « Svens Stimme klang ungläubig. » Jetzt komm aber, das überlebt keiner. « Er deutete mit der Neonröhre auf den blassen, wachsartigen Arm auf dem Boden.
    » Allein der Blutverlust. Und der Schock. «
    » Ich versuche nur, an alles zu denken «, sagte Harry.
    Dann wurde es dunkel.
     
    T ick, tick.
    Harry trat aus dem Fahrstuhl, machte rasch ein paar Schritte zur Seite und hockte sich hin. Hörte die Tür hinter sich zugehen. Er wartete, bis sich der Aufzug in Bewegung setzte. Es war abgemacht, dass die beiden ihn zwischen dem Keller und dem Erdgeschoss wieder anhielten, wo sie in Sicherheit waren.
    Harry lauschte. Vorerst keine Spur eines Gespenstes. Er stand auf. Fahles Licht fiel durch das Fenster einer Tür auf der anderen Seite des Kellers herein. Er erkannte Gartenmöbel, alte Kommoden und Skispitzen hinter Maschendrahtverschlägen. Harry tastete sich an der Wand entlang. Fand eine Tür und öffnete sie. Es roch süßlich nach Abfall. Hier war er richtig. Er stapfte durch zerrissene Abfallsäcke, Eierschalen und leere Milchkartons, tastete sich durch die klamme Fäulnis vor. Die Pistole lag an der Wand. Einer der Klebestreifen hing noch immer daran. Er versicherte sich, dass sie geladen war, ehe er wieder hinausging.
    Gebückt schlich er zur Tür, durch die der Lichtschein fiel. Es musste die Tür zum Flur sein.
    Erst von nahem bemerkte er den dunklen Umriss hinte r d em Glas. Ein Gesicht. Harry kauerte sich unwillkürlich hin, ehe ihm bewusst wurde, dass ihn der Betreffende im Dunkel unmöglich ausmachen konnte. Er hielt die Pistole in den ausgestreckten Händen vor sich und ging langsam zwei Schritte näher heran. Das Gesicht war hart gegen die Scheibe gepresst, die Züge verzerrt. Harry nahm das Gesicht aufs Korn. Es war Tom. Seine weit geöffneten Augen starrten stier an ihm vorbei ins Dunkel.
    Harrys Herz hämmerte so stark, dass es ihm nicht gelang, die Waffe ruhig zu halten.
    Er
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