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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis
Autoren: Starhawk
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Nachgeschmack hinterlassen.
    Im Traum waren sie wieder in den Bergen gewesen, in jenem Jahr, das sie gemeinsam den Wäldern gewidmet hatten, in dem Jahr als sie beide 16 waren. Sie hatten hart gearbeitet, Feuerschneisen geschlagen und neue Bäume gepflanzt. Damals waren sie jung gewesen, jung und begierig. Ihr Schweiß schien wie eine Einladung, die salzigen Ströme der Körper noch tiefer zu kosten.
    Seltsam, bislang hatte sie noch nicht von Sandy geträumt, obwohl er schon seit Monaten tot war. Aber Bird war ihr im Traum mehrere Male erschienen. Vielleicht hatte Maya recht. Sie behauptete, daß er noch irgendwo lebte. Niemand hatte ihn in den vergangenen zehn Jahren gesehen. Niemand. Seit der großen Epidemie, als er zusammen mit Cleis, Zorah und Tom tief im Gebiet der Stewards verschwunden war. Höchstwahrscheinlich war er längst tot, dachte sie voll stummer Trauer. Bird! Tot, wie all die anderen Männer in meinem Leben. Mein schon fast mythischer Vater, Sandy, Rio und die vielen Frauen. Hör auf! Sie stoppte sich energisch. Hör auf, in Selbstmitleid zu baden. Sie seufzte erneut und schrie schmerzlich auf, als Lou sie energisch schüttelte. »Au, was machst du mit mir?«
    »Tat's weh?« fragte Lou.
    »Sei vorsichtig, ja? Du sollst mich nicht quälen!«
    »Das ist ein Punkt für das Immun-System. Er muß gestärkt werden.«
    »Ist das ein Grund, die Stelle so brutal anzufassen? Du solltest den Punkt Lous Rache nennen.«
    Er lächelte spöttisch. Seine Finger fuhren kraftvoll und unbeirrt fort ihren Nacken zu kneten, und trotz ihrer Schmerzen fühlte Madrone, wie sie sich etwas entspannte, wie neue Energie sie durchströmte.
    »So, Madrone. Beantworte diese Frage ehrlich und ich lasse dich in Ruhe. Was wirst du als nächstes tun?«
    »Wenn ich schon die Kranken nicht heilen kann, sollte ich vielleicht lernen, die Toten zu erwecken. Au, du tust mir weh! Ich spaße nicht!«
    »Was wirst du als nächstes machen?«
    »Pause! Schlafen! Ich schwöre es! Au, das ist gut!« Sie seufzte auf, als seine Finger den schmerzenden Punkt verließen und sanft ihre Schultern massierten. »Gleich nachdem ich Rosa berichtet habe.«
    »Was ist mit der Zeremonie?« fragte Aviva. »Vertrittst du nicht den Rat der Heilerinnen?«
    »Große Göttin, das habe ich total vergessen. Wie spät ist es?«
    »Ungefähr ein Uhr nachmittags, am 1. August, oder falls du es lieber hörst, Dritte Nebel-Mondin«, antwortete Lou. »Der Tag der Schnitterin. Der Tag an dem du uns, deine Zunftkollegen, bei den Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des Aufstandes vertreten sollst. Wenn du dich beeilst, kannst du den Weg auf den Berg noch schaffen.«
    »Oh herrlich«, sagte Madrone. »Wenn der Rat aus einem unerforschlichen Grund mich benannt hat und nicht Doktor Sam, setze ich mich besser in Bewegung.«
    »Es war ein Vorschlag von Sam«, sagte Lou, »als Tribut an Sandy.«
    »Lou, wenn du den Knoten aus meinem Nacken schaffst, werde ich... Ja, was werde ich? Dir ein Kind gebären. Ein Essen für dich kochen. Dich für den Großen Orden nominieren lassen...«
    »Das sind keine Versprechungen. Das sind Drohungen.« Lou bearbeitete Madrones Schultern weiter mit Massagegriffen.
    Ich sehe wie die Todesfee persönlich aus. Madrone starrte in den Spiegel des Waschraumes. Strähnen ihres schwarzen lockigen Haares hatten sich aus ihrem dicken Zopf befreit. Blaue Ringe lagen unter ihren Augen und ihre bronzefarbene Haut hatte einen grauen Unterton. Eingetrocknetes Blut klebte auf Wangen und Armen. Sie streifte alle Kleidungsstücke ab, warf sie in den Solar- Sterilisator, öffnete ihr Haar und trat in die Dusche. Das heiße Wasser fühlte sich gut an, ließ sie wieder zurückkehren in ihren Körper.
    Sie schrubbte sich gründlich bis zu den Haarwurzeln. Sich selbst konnte sie vor dem Fieber schützen. Aber solange sie nicht wußten, wie es sich übertrug, würde sie kein Risiko eingehen. Sauber, aber mit nassem Haar, das noch am Rücken klebte, zog sie ihre Straßenkleidung an und machte sich auf die Suche nach Rosa. Das Mädchen wartete im Flur, zusammen mit Marie, einer anderen Nachbarin. Sie war Mitglied des Ordens »Unsere gesegnete Frau des Wassers«. Dieser Orden unterhielt ein offenes Haus in Madrones Block. Rosa lag, halb schlafend in Maries Arm. Madrone kniete sich zu ihr, weckte sie vorsichtig und nahm ihre Hand.
    Rosa öffnete ihre Augen, die groß und dunkel wirkten in dem schmalen Gesicht. Ihre Zöpfe waren leicht zerzaust und unordentlich nach einer
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