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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis
Autoren: Starhawk
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Gesicht der Toten. »Es tut mir leid, Consuelo. Lo siento mucho.«
    »Ich werde Schwester Marie um die Riten bitten«, bemerkte Lou. »Nicht nötig«, wehrte Aviva ab. »Sie hat schon den letzten Segen erhalten, als die Wehen einsetzten, für alle Fälle.«
    »Möge die Luft deinen Geist freundlich empfangen«, flüsterte Madrone der Toten zu. »Möge das Feuer deine Seele erlösen. Möge das Wasser dich reinwaschen von allen Schmerzen, Leiden und Traurigkeiten. Möge die Erde dich empfangen. Möge das Rad sich drehen und dich neu gebären.«
    »Gesegnet sei's«, murmelte Aviva.
    Lou hob das Laken und bedeckte Consuelos Kopf. »Laß mich jetzt das Baby nehmen«, sagte Aviva. »Madrone, du bist völlig fertig.«
    Madrone hielt einen Moment inne. Das Baby fühlte sich noch heiß an, aber nicht mehr so brennend wie zuAnfang. Der Lebenswille des Kindes schien stark und stabil zu sein, während sie selbst sich schwach fühlte. Sie reichte Aviva das Baby, die ihre eigenen Hände jetzt von Madrones Nacken löste, um das Neugeborene zu umfangen.
    Ohne Rückhalt fühlte Madrone jetzt das volle Ausmaß ihrer eigenen Schwäche. Sie rettete sich auf den Stuhl in der Ecke bevor ihre Beine nachgaben.
    »Du siehst furchtbar aus«, sagte Lou.
    Madrone nickte: »Ich bin etwas zu weit gegangen.«
    »Du riskierst zu viel.« Lous Augen zogen sich zu dunklen Schlitzen zusammen. »Ich hab' dich schon mal gewarnt. Wäre ich dein Vater, ich würde dir diese Arbeit verbieten.«
    Madrone blickte Lou an. Sandys Augen waren ebenso geformt gewesen, wie die von Lou. Aber sie hatten sie angelacht, hatten mit ihr geflirtet, sie verführt, seine schwarzen, seidigen Haare zu streicheln und seine Lippen zu küssen. Schluß jetzt, befahl sich Madrone, und schloß die Augen.
    »Du kannst nicht mein Vater sein, Lou. Du bist jünger als ich.«
    »Du brauchst einen Vater, der auf dich aufpaßt«, wiederholte Lou.
    »Ich hatte nie einen. Ich wüßte nichts mit ihm anzufangen!« gab Madrone zurück.
    »Wieso? Bist du künstlich gezeugt?«
    »Nein, mein Vater fiel im Befreiungskampf für Guadeloupe, wo ich geboren wurde. So oder so ähnlich erzählte meine Mutter es mir.« Madrone lächelte: »Ich glaube, sie hat gelogen. Ich denke, es war eine jungfräuliche Geburt.«
    »Gelobt sei Maria«, antwortete Aviva, die das Baby am Waschbecken badete.
    »Eher so wie sich die große Göttin inkarniert hat«, korrigierte Madrone ihn.
    »Sich selbst befruchtend, sich selbst kreierend. So war meine Mutter.«
    »Und unsterblich. Sie hätte unsterblich sein sollen. Nicht so schnell sterben und mich verlassen. Aber genug davon.« Sie sah zu Aviva auf. »Oder glaubst du, daß ich Jesus bin, ein weiblicher Jesus?«
    »Jesus wurde gekreuzigt«, erinnerte Lou sie. »Falls du nicht deine Aura heilst, wirst du so krank werden, daß du dir wünscht, du würdest auch gekreuzigt werden.«
    Madrone blickte zu ihm auf. »Sei ein Engel, Lou! Wieg' du das Baby, ja?«
    »Du solltest wirklich nicht so weitermachen.«
    »Ich wollte Consuelo nicht verlieren.« Madrone wandte sich von der reglosen, weißen Gestalt im Bett ab. Ihre Augen waren voller Tränen. Das Baby wurde gewogen, die Reflexe getestet.
    »Consuelo war eine Freundin. Ihre Familie lebt in derselben Straße wie meine. Ich habe oft auf ihre Tochter aufgepaßt. Was wird jetzt aus Rosa? Ihr Vater starb vor sechs Monaten.«
    »Schließ deine Augen«, sagte Lou. Madrone ließ sich im Stuhl zurücksinken. Sie wandte dazu die ganze Kraft ihres eigenen Ch'i auf. Sie spürte wie Lous Hände sich um ihren Kopf herum bewegten, und sie seufzte auf, als sie sich in ihren verspannten Nacken gruben.
    »Es ist ein kluges Baby«, sagte Aviva. »Ich hoffe, daß es leben wird.«
    »Ich werde es Rosa erzählen«, sagte Lou.
    Wenn sie die Augen nur lange genug geschlossen hielte, dachte Madrone, würde vielleicht alles wieder anders sein. Sie würde wieder zurück sein, in der guten alten Zeit , wie Maya zu sagen pflegte, in El Mundo Bueno.
    »Jemand anders soll es ihr sagen«, schlug Aviva vor, »ich kann es jedenfalls nicht.« Sie schluchzte.
    Madrone schreckte bei diesem Geräusch hoch. Sie hätte einschlafen können, während Lou sie so massierte und die Spannung in ihrem Nacken löste. Sie hätte zurücksinken mögen in den Traum der vergangenen Nacht, oder war es vorgestern gewesen? Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie eigentlich zuletzt geschlafen hatte. Sie erinnerte sich nur, von Bird geträumt zu haben, und das hatte einen süßen
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