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Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Das Fremde Meer: Roman (German Edition)

Titel: Das Fremde Meer: Roman (German Edition)
Autoren: Katharina Hartwell
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Kopf. Kein Glück, versteht sie. Nicht beim Schrottplatz und nicht in der Lagerhalle.
    »Einen Versuch war es wert«, sagt er.
    Obwohl sie versucht hatte, ihm auszureden, noch einmal zur Halle zu fahren, nickt sie.
    Sie fahren Richtung Nordvorstadt, wo sie mit den anderen in einem verlassenen Café verabredet sind. Es gibt dort schon lange keinen Kaffee mehr, die großen Fenster sind mit Brettern vernagelt, und um eingelassen zu werden, muss Moira eine komplizierte Abfolge von Klopfzeichen ausführen. Eine Zeitlang kamen sie hierher, um ihre Fundstücke zu tauschen. Inzwischen aber gibt es nichts mehr zu tauschen.
    Weil Moira und die anderen vorsichtig sind, setzen sie sich nicht in das eigentliche Café, sondern in die Küche im hinteren Teil des Gebäudes. Jemand macht Suppe, jemand sagt, dass er schon seit drei Wochen nichts mehr gefunden hat, jemand gibt Pip und Moira einen Tipp, nicht gerade einen heißen, eher einen lauwarmen. Basenzia, flüstert man sich selbst und ihnen zu. Da müsst ihr hin, da findet ihr bestimmt noch was.
    Moira und Pip nicken und löffeln schweigend Suppe. »Ja, vielleicht sehen wir uns da mal um«, behauptet Moira. Dann wechselt sie einen Blick mit Pip, mit dem sie sich bestätigen, dass sie nicht nach Basenzia fahren werden. Allein die Vorstellung lässt Moira auf ihrem Stuhl unruhig hin und her rutschen. Solange es sich vermeiden lässt, solange sie nicht jedes noch verbleibende Objekt in jedem noch verbleibenden Bezirk gefunden haben, werden sie nicht nach Basenzia fahren.
    Am frühen Abend löst sich die Gruppe auf, denn nachts sorgt jeder für sich.
    Moira und Pip entfernen sich vom Zentrum der Stadt, fahren eine Anhöhe hinauf, in das ehemalige Plattenbauviertel, in dem sich, wie auf eine geheime Absprache hin, die teuersten Villen der Stadt eingefunden haben. Für ihre Nachtunterkünfte bevorzugen die beiden alte Herrenhäuser und moderne Stadtpalais. An Marmorbäder, Flügeltüren, Terrassen und große, offene Küchen sind sie inzwischen gewöhnt.
    Sie fahren im Schritttempo durch die verlassenen Straßen und mustern die Fassaden. Bevor sie ein Haus betreten und ihr Nachtlager aufschlagen, sichern Moira und Pip ein Grundstück so sorgfältig wie Bombenentschärfer. Ein Gebäude scheint Moira dann sicher, wenn seine Umrisse scharf und eindeutig sind, wenn die Luft klar und unbewegt ist. Weil sie sich noch nie geirrt hat, trifft stets Moira die endgültige Entscheidung.
    An diesem Abend kann sie sich nur schwer entscheiden. Sie ziehen von Haus zu Haus, bei jedem schüttelt Moira früher oder später den Kopf. Erst beim zehnten nickt sie zögerlich, und sie verstecken ihre Räder hinter einem Schuppen im Vorgarten.
    Moira ist aufgefallen, dass der Wechsel sich immer weniger Zeit lässt. Lagen früher Tage zwischen den ersten Anzeichen und dem endgültigen Verschwinden, sind es jetzt oftmals nur Stunden, und sie erwachen immer häufiger unter unheilvollem Knistern.
    Während eines ersten schnellen Rundgangs durch die weitläufige Stadtvilla bestätigt sich, was sie bereits angenommen haben: Das Haus ist leer geräumt. Das, was die Besitzer nicht bereits mit sich nahmen, haben andere OWos längst aufgespürt.
    Die Schlafzimmer in der oberen Etage sind ihnen zu weit von der Tür entfernt, und sie breiten ihre Schlafsäcke auf dem kühlen Steinboden der Eingangshalle aus. Weil es noch früh ist und keiner von beiden müde, setzen sie sich auf die breite Treppe, die von der Eingangshalle nach oben führt. Die Unterarme auf die Knie gestützt, lässt Moira den Kopf hängen und betrachtet den Marmorboden. Wie kleine, feine Wurzeln mischt sich das Schwarz in den gräulich weißen Grundton.
    »Wir müssen hier weg«, sagt Pip.
    Moira nickt und schaut weiter auf die Stufen.
    »Ich habe eine Idee«, sagt sie. »Aber gefallen wird sie dir nicht.«
    »Das hier gefällt mir aber auch nicht«, sagt Pip und deutet in die Halle.
    »Was glaubst du, wo der Engel ist?«
    Pip zuckt die Achseln. »Was glaube ich, wo die ganzen Objekte sind? Wahrscheinlich nirgendwo. Wahrscheinlich in vielen Millionen Teilen in der Luft.«
    »Nein«, sagt Moira. »Aber nicht der Engel.«
    »Sondern?«
    »Was wenn –« Moira bricht ab. »Was meinst du, wie viel wir kriegen würden. Was sie draußen dafür zahlen würden?«
    Pip steht auf und lehnt sich gegen das Geländer.
    »Bezahlt wird bestimmt gut. Bloß haben wir keine Ahnung, wo wir suchen sollen, also ist es egal.«
    »Vielleicht habe ich eine Ahnung.«
    Pip
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