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Das Flüstern des Windes (German Edition)

Das Flüstern des Windes (German Edition)

Titel: Das Flüstern des Windes (German Edition)
Autoren: Rainer Wekwerth
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Djoran mitteilte, dass Medak fest entschlossen war, ihren Willen durchzusetzen, aber er grollte ihr nicht. Medak war eine geduldige Frau, die jeden Schicksalsschlag stumm ertrug, aber wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nicht mehr davon abzubringen.
    Sein Blick wanderte erneut zu dem Findelkind. Er würde einen weiteren Sohn haben, und diesmal konnte er die Entwicklung eines neuen Menschenlebens von Anfang an verfolgen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, begann er zu lächeln.
    Medak bemerkte dieses Lächeln. Ein Gefühl der Wärme und Zuneigung für diesen harten Mann, der so ein weiches Herz hatte, überströmte sie.
    »Wie soll dein Sohn heißen?«, fragte sie Djoran.
    »Karem!« Ohne zu überlegen, hatte er den Namen seines Großvaters gewählt, der ihn aufgezogen hatte, nachdem sein Vater, ein Krieger, den er kaum gekannt hatte, in einer unbedeutenden Schlacht gefallen war.
    Gram zerstörte die anschließende Stille, als er die beiden Kaninchen, die er erlegt hatte, vom Gürtel löste und hochhob.
    »Heute werden wir nicht hungern müssen!«, erklärte er strahlend.
    Djoran betrachtete das als gutes Omen. Ein langer Weg lag vor ihnen, denn heute wollten sie durch die finsteren Wälder ziehen, um dieses Reich zu verlassen. Gefahr lag in der Luft.
    Er konnte es am Jucken seiner Narbe spüren.
     
     

4.
     
    10 Jahre später
     
    »Nein! Nein! Nein!«, brüllte Djoran. »Wie oft habe ich dir schon gesagt, du sollst einen Wurfdolch nicht wie ein Brotmesser anfassen! Geht das nicht in deinen Kopf?«
    Das Gesicht des ehemaligen Kriegers war rot angelaufen. Seine langen, schwarzen Haare umspielten ihn wie die Mähne eines Löwen. Mit großen Schritten hielt er auf Karem zu, der versuchte, sich so klein wie möglich zu machen. Sein Vater war ein geduldiger Mann, aber wenn ihm einmal der Kragen platzte, machte man besser ein reumütiges Gesicht und versuchte erst gar nicht, sich zu rechtfertigen.
    Djoran war nun heran. Er ragte über Karem auf und verdeckte das Sonnenlicht. Die breite Hand schoss vor, riss ihm den Dolch aus der kleinen Faust.
    »An der Spitze musst du das Messer halten. Ganz sanft, fast zärtlich, so als wäre es eine Feder, die du nicht zerdrücken willst.« Energischer Eifer stand in sein Gesicht geschrieben. Die Narbe pulsierte im Schlag seines Blutes. »Du musst das Gewicht trotzdem spüren. Bei einem Wurfdolch ist die Klinge immer schwerer als das Heft, damit dem Feind die richtige Seite entgegenfliegt. Wenn du aufhören würdest, diese edle Waffe wie ein Stück Holz zu behandeln, mit dem du nach Krähen wirfst, würden wir uns eine Menge Zeit sparen.«
    Karem nickte ergeben. Seit zwei Tagen versuchte sein Vater, ihm das Messerwerfen beizubringen. Am Anfang hatte er gelernt, den Dolch einmal um seine ganze Achse drehen zu lassen und wieder aus der Luft zu fangen. Diese Übung war ihm relativ leicht gefallen, aber seit sein Vater eine Holzscheibe aufgestellt hatte, auf die er zielen sollte, ging alles schief. Entweder entglitt ihm der Dolch und grub sich irgendwo in den Erdboden, oder aber er verfehlte das Ziel meterweit. Inzwischen schmerzte sein linkes Handgelenk.
    »Sieh her!«, befahl Djoran. »Das Messer muss wie eine Schlange, die zubeißt, aus deiner Hand gleiten. In einer einzigen fließenden Bewegung. Die Kraft kommt dabei aus der Schulter, nicht aus dem Oberarm!«
    Djoran drehte sich geschmeidig, der Arm zuckte hoch und einem silbernen Blitz gleich, zischte der Dolch durch die Luft und bohrte sich tief in die Mitte des Holzbrettes.
    Karems Augen wurden groß. Obwohl er seinen Vater schon oft mit verschiedenen Waffen üben sehen hatte, erstaunte es ihn immer, wieder mit welcher Eleganz sich Djoran bewegte. Und er verfehlte nie sein Ziel, mochte er eine Axt, ein Schwert oder einen Dolch handhaben.
    Als der Messerschleifer die Resignation im Gesicht seines Sohnes sah, wurden seine Züge weich. Er bückte sich und fasste Karem mit beiden Händen an den Schultern.
    »Mach dir keine Gedanken. Auch mir ist es am Anfang schwergefallen. Du musst Geduld bewahren und dich konzentrieren.« Seine große Hand deutete auf das im Brett steckende Messer. »Eines Tages kannst du das so gut wie ich. Für heute ist genug geübt. Geh und sieh, ob du deiner Mutter helfen kannst.«
    »Vater?«
    »Ja?«
    »Wenn meine rechte Hand nicht verkrüppelt wäre, könnte ich es besser.«
    »Ich weiß, mein Sohn. Du wirst lernen, deine Linke zu gebrauchen.«
    »Ja, Vater!«
    Djoran gab ihm einen
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