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Das fliegende Klassenzimmer.

Das fliegende Klassenzimmer.

Titel: Das fliegende Klassenzimmer.
Autoren: Erich Kästner
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macht es bestimmt nicht wieder«, erklärte Martin.
    Ulis Mutter schlug die Hände überm Kopf zusammen. »Das fehlte auch noch!«
    »Es gibt schlimme Erlebnisse, die sich nicht umgehen lassen«, sagte Johnny Trotz. »Wenn Uli nicht das Bein gebrochen hätte, wäre er sicher noch viel kränker geworden.«
    Die Eltern blickten Johnny verständnislos an.
    »Er ist ein Dichter«, erklärte Uli.
    »Aha«, meinte der Vater. »Das ist natürlich etwas anderes.«
    Die beiden Jungen gingen rasch wieder. Uli versprach Martin, so schnell wie möglich wieder gesund zu werden.
    Johnny und Martin trennten sich am Gartentor. Johnny spürte, dass Martin etwas wissen wollte und sich nicht zu fragen traute.
    »Es ist alles Gewöhnung«, sagte Johnny. »Und man kann sich seine Eltern nicht aussuchen. Wenn ich mir manchmal vorstelle, dass sie eines Tages hier auftauchen könnten, um mich zu holen, dann merk ich erst, wie froh ich bin, dass ich allein bleiben kann. Der Kapitän trifft übrigens am 3. Januar in Hamburg ein, will mich besuchen und mit mir zwei Tage nach Berlin fahren. Das wird fein.«
    Er nickte dem anderen zu. »Mach dir keine Sorgen. Sehr glücklich bin ich nicht. Das wäre gelogen. Aber ich bin auch nicht sehr unglücklich.«
    Sie gaben einander die Hand. »Was hast du denn in dem Paket?«, fragte Johnny. Denn Martin hatte sein Weihnachtspaket nicht mehr in den Koffer gebracht.
    »Wäsche«, erwiderte Martin. Es war dieselbe Antwort, die er gestern Matthias gegeben hatte. Er konnte doch nicht Johnny erzählen, dass er seine eigenen Weihnachtsgeschenke mit nach Hause nahm! Dass er sie aus Kirchberg mitnahm, statt sie in Hermsdorf unterm Christbaum vorzufinden!
    Unten in der Stadt kaufte er ein Kistchen Zigarren für seinen Vater. Fünfundzwanzig Stück. Mit Bauchbinde und mit Havannadeckblatt. Und in einem Trikotagengeschäft kaufte er für seine Mutter ein Paar warme, gestrickte Pantoffeln. Denn ihre Kamelhaarschuhe waren seit langem reif zum Wegwerfen.
    Aber sie sagte immer: »Die halten noch zehn Jahre.« Dann wanderte er schwer beladen zum Bahnhof.
    Am Schalter verlangte er: »Einmal dritter Klasse nach Hermsdorf.«
    Der Beamte gab ihm die Fahrkarte. Geld gab er ihm auch zurück.
    Martin steckte alles sorgfältig in die Tasche. Dann sagte er:
    »Besten Dank, mein Herr!«, und blickte den Mann strahlend an.
    »Warum freust du dich denn so?«, fragte der Beamte.
    »Weil Weihnachten ist«, gab der Junge zur Antwort.

Das zwölfte Kapitel 
...enthält viele schöne Christbäume und eine kleine Fichte; Apfelsinen, die pro Stück vier Pfund wiegen; sehr viele Tränen;  wiederholtes Klingeln; Weinen und Lachen zu gleicher Zeit; neue Buntstifte und ihre erste Verwendung; den Hermsdorfer  Nachtbriefkasten und eine Sternschnuppe.
    Es war am Heiligen Abend gegen 20 Uhr. Die amtliche Landeswetterwarte hatte für ganz Mitteleuropa starken Schneefall vorhergesagt. Und nun bewies der Himmel, wie gut die amtliche Landeswetterwarte informiert war. Es schneite tatsächlich in ganz Mitteleuropa!
    Es schneite also auch in Hermsdorf. Herr Hermann Thaler stand in der guten Stube am Fenster. Das Zimmer war dunkel.
    Denn Licht kostete Geld. Und Thalers mussten sparen.
    »So viel Schnee hat es zu Weihnachten seit Jahren nicht mehr gegeben«, meinte er.
    Frau Thaler saß auf dem Sofa. Sie nickte nur. Ihr Mann erwartete auch gar keine Antwort. Er redete nur, damit es nicht zu still wurde.
    »Bei Neumanns bescheren sie schon«, sagte er. »Ach, und bei Mildes zünden sie gerade die Kerzen an! Einen schönen großen Baum haben sie. Na ja, er verdient jetzt wieder besser.«
    Herr Thaler sah die Straße entlang. Die Zahl der schimmernden Fenster wuchs von Minute zu Minute. Und die Flocken wirbelten wie Schmetterlinge durch die Luft.
    Frau Thaler bewegte sich. Das alte Plüschsofa knarrte. »Was mag er jetzt bloß machen?«, fragte sie. »In dieser großen, unheimlich leeren Schule?«
    Der Mann seufzte heimlich. »Du machst es dir zu schwer«, meinte er. »Erstens ist der Jonathan Trotz da. Den scheint er ja sehr gern zu haben. Und dann hat doch der andere, der kleine Adelige, das Bein gebrochen. Sicher sitzen sie an seinem Bett und sind kreuzfidel.«
    »Das glaubst du doch selber nicht«, sagte die Frau. »Du weißt so gut wie ich, dass unser Junge jetzt nicht kreuzfidel ist. Wahrscheinlich hat er sich in irgendeinen Winkel verkrochen und weint sich die Augen aus dem Kopf.«
    »Das tut er ganz bestimmt nicht«, entgegnete der Mann. »Er hat
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