Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Finale

Das Finale

Titel: Das Finale
Autoren: Hannes Nygaard
Vom Netzwerk:
richtig einzuschätzen. Richters Blick blieb an
ihrer Oberweite haften. Unwillkürlich fuhr sich der ehemalige Polizist mit der
Zungenspitze über die Lippen. Es war nur ein kleiner Augenblick gewesen. Dann
legte sie ihre Unterarme wieder auf die Tischkante.
    »Sie wollten mir
eine Drohung zukommen lassen«, erinnerte sie ihn an seine letzten Ausführungen.
    »Sie haben mir
gedroht«, sagte Richter, und es klang eine Spur selbstzufrieden.
    »Ich? Wann?«
    »Eben.«
    »Inwiefern?«
    »Das ist alles
protokolliert.«
    »Wo?«
    Richter zeigte auf
das Mikrofon des Aufnahmegeräts, das zwischen ihnen auf dem Tisch stand. »Da.«
    Frauke lächelte.
»Oh, Verzeihung.« Wie suchend fuhr ihre schlanke Hand über das Gerät. »Erinnern
Sie sich noch an Jakob Putensenf? Der ist der festen Überzeugung, Frauen würden
nicht in den Polizeidienst, sondern in die Küche gehören. Ich glaube, Putensenf
hat recht. Frauen verstehen nichts von Technik. Da habe ich doch glatt
vergessen, das Gerät einzuschalten.«
    Richter rieb sich
mit der Hand über die Augen. »Sie verfluchtes Miststück«, fuhr er sie an. »Wenn
Sie zur Hölle fahren, werde ich dabei sein.«
    »Sie meinen, ich
soll Sie begleiten, wenn Sie Ihre letzte Reise antreten?« Als würde sie mit
einem unartigen Kind reden, schüttelte Frauke den Kopf. »Richter! Was haben Sie
für krause Gedanken. Sie hier im Knast und ich … Wissen Sie noch, wie gut ein
roter Wein zu einem vorzüglichen Essen schmeckt? Wie die Sonne lacht? Wie
herrlich es rund um den Kröpcke duftet? Wie es sich anhört, wenn eine Frau im
Seidennegligé ins Schlafzimmer kommt?«
    »Sie sind der Teufel
in Menschengestalt.« Es klang wie das Zischen einer Schlange. »Sie werden dafür
zahlen müssen. Irgendwann.«
    Frauke lehnte sich
entspannt zurück. »Täuschen Sie sich nicht, Richter. Ich habe genug Wechselgeld
dabei. Ich kann herausgeben. Sie und Ihre Mordgesellen werden sich die Zähne
ausbeißen. Wir sind hier nicht in Italien, wo Recht und Gesetz manchmal zu kapitulieren
scheinen. Und deutsche Polizeibeamte ähneln dem Spargel. Wenn es Ihnen wirklich
gelingt, einen Kopf abzuschlagen, wachsen ständig neue nach. So einfach ist
das.« Frauke war aufgestanden. »Übrigens … das sollten Sie Ihrem Anwalt
erzählen –«
    »Verdammt, ich habe
keinen Anwalt!«, rief Richter dazwischen.
    »Dottore Carretta
wird die Haltung der Polizei sicher interessieren.« Sie wartete die Antwort
nicht ab, sondern verließ den Raum. Ihr Ziel, Richter zu provozieren, hatte sie
erreicht. Frauke hatte weder Zweifel an seiner Täterschaft noch an seinen
Kontakten zur Organisation. Sie wussten noch nicht, welche Stellung Richter
dort einnahm. Mit Sicherheit, so vermutete Frauke, war er mehr als ein
unbedeutender Handlanger. Dass Richter selbst zum Mörder geworden war, war ein
Betriebsunfall, der der Organisation schweren Schaden zugefügt hatte. Als
Leiter der Ermittlungsgruppe gegen die Organisation
saß Richter in der entscheidenden Position. Noch war es nicht gelungen,
herauszufinden, ob die Entscheidung, Lars von Wedell zu ermorden, eine
Kurzschlusshandlung Richters war oder ob die Organisation auch das Risiko der
Entdeckung ihres wichtigsten Mannes bei den Strafverfolgungsbehörden in Kauf
nahm. In diesem Fall musste die Polizei der Organisation empfindlich nahe
gekommen sein.
    Wie gut, dass die
Organisation nicht wusste, dass Frauke in dieser Hinsicht noch im Dunkeln
tappte. Sie vermied es auch, mit den Mitgliedern des Teams darüber zu sprechen.
Es gab zwar keinen direkten Verdacht, der gegen einen ihrer Mitarbeiter
gerichtet war, aber auch unbedachte Äußerungen könnten gefährlich sein. Man
hatte erkannt, dass Frauke ein gefährlicher Gegner war. Mit Sicherheit würde
man nichts unversucht lassen, um sie zu eliminieren.
    Frauke fuhr zum
Landeskriminalamt zurück. Heute, am Sonnabend, wirkte die Behörde wie
ausgestorben.
    Sie verbrachte die
folgenden Stunden damit, etwas über Georg herauszufinden. Doch es gab zu wenig
Anhaltspunkte, an die sie hätte anknüpfen können. Zwischendurch rief sie im
Klinikum Nordstadt an. Das Krankenhaus war ein akademisches Lehrkrankenhaus der
Medizinischen Hochschule Hannover. Sie fragte nach dem Zustand Özdens, aber man
verweigerte ihr die Auskunft.
    Ergebnisse der
Spurensicherung waren am Wochenende auch nicht zu erwarten, zumal sich die
Beamten, die in Isernhagen gewesen waren, sehr zugeknöpft gezeigt hatten, da
Frauke ihnen keine klaren Anweisungen erteilen konnte, wonach sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher