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Das Finale

Das Finale

Titel: Das Finale
Autoren: Hannes Nygaard
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als
nüchterner Bürobetrieb erwies, dessen Interieur überhaupt nicht zum Charme des
Altstadthauses passte. Auf Frauke wirkten die an Seilen von der Decke hängenden
Lamellenlampen so, als wäre die Inneneinrichtung seit dem Beginn der sechziger
Jahre unverändert geblieben. Lediglich die moderne technische Infrastruktur
zeugte davon, dass man offenbar den Zug der Zeit nicht verpasst hatte.
    Die Frau am Empfang
fragte nach dem Wunsch der Besucher, zog gekonnt eine Augenbraue in die Höhe,
als sie die Bitte um ein Gespräch mit Dr. Eigelstein vernahm, und sagte:
»Ich muss nachsehen, ob der Herr Doktor im Hause ist.«
    Frauke hätte ihr am
liebsten geantwortet, dass dies ein dummes Argument war. Natürlich wusste jeder
Beschäftigte in einem überschaubaren Betrieb wie dieser Kanzlei, ob der Chef
anwesend war.
    Die Frau nahm den
Telefonhörer zur Hand, und die Beamten hörten es zwei Räume weiter klingeln.
»Herr Jasper. Ist Herr Dr. Eigelstein im Hause?« Sie sah Frauke an. »Um
welche Angelegenheit geht es?«
    »Polizei«, sagte
Frauke. »Landeskriminalamt«, schob sie hinterher.
    Erneut zog die Frau
die Augenbraue in die Höhe und wiederholte Fraukes Antwort wörtlich. Dann legte
sie auf und sagte: »Einen Moment, bitte.«
    Kurz darauf erschien
ein Mann in einer grauen Strickweste.
    »Jasper«, stellte er
sich vor. »Ich bin der Bürovorsteher. Was kann ich für Sie tun?«
    In gut geführten
Kanzleien lief fast alles über den Schreibtisch des Bürovorstehers. Das war
Frauke bekannt. Dennoch ärgerte es sie, dass man ihre Bitte, den Anwalt zu
sprechen, überhaupt nicht zur Kenntnis zu nehmen schien.
    »Zeigen Sie mir
bitte die Vollmacht«, sagte sie in scharfem Ton, »dass Herr Eigelstein Sie
damit betraut hat, seine privaten Angelegenheiten gegenüber der Kriminalpolizei
zu vertreten. Dann bin ich bereit, mit Ihnen zu sprechen.«
    Für einen Moment war
Jasper irritiert.
    »Sie sind wegen
einer – äh – persönlichen Sache hier? Und möchten Dr. Eigelstein
sprechen?«
    »Reicht es, wenn ich
es Ihnen gegenüber noch einmal wiederhole? Oder kommen noch mehr Kollegen aus
einem dieser Zimmer«, dabei zeigte sie den Flur entlang, »die hören wollen,
dass die Polizei Herrn Eigelstein in einer privaten Sache sprechen möchte?« Sie
hatte die Stimme erhoben und bewusst lauter gesprochen.
    Jasper bewegte die
Hand auf und ab, als wollte er ihre Stimme dämpfen. Fast im Flüsterton
erwiderte er: »Wenn Sie mir bitte folgen wollen?« Er führte sie in einen
kleinen Raum mit einem halben Dutzend abgenutzter Lederstühle, die
nebeneinander an der Wand standen. In der Ecke befand sich ein kleiner Tisch
mit der obligatorischen Büchermappe. »Nehmen Sie bitte einen Augenblick Platz«,
bat er.
    »Wenn Sie sich ein
wenig beeilen könnten …«, rief ihm Frauke hinterher.
    Nach zehn Minuten
tauchte Jasper wieder auf und schaffte es, eine kleine Verbeugung zu zeigen.
»Würden Sie bitte mitkommen?«, sagte er und führte sie zu einem Raum am Ende
des langen Flures.
    Das Zimmer war groß
und mit Antiquitäten eingerichtet. Es glich einem Stillleben. Ein großer
dunkler Schreibtisch, hinter dem auf einem Schreibtischstuhl, der mehr einem
Ohrensessel ähnelte, ein Mann mit vollem silbergrauem Haar thronte, beherrschte
den Raum. Der Anwalt trug einen gedeckten Anzug und eine silberne Krawatte. Er
war hinter den Bergen von staubigen Aktenmappen kaum auszumachen.
    Frauke sah sich um.
Im Raum stand ein langer, ebenfalls dunkler Tisch, um den sechs Stühle mit
brüchigem grünem Lederbezug gruppiert waren. An den Wänden standen
Bücherregale, teilweise durch Glastüren abgeschlossen, in denen sich eine ganze
Bibliothek von Fachliteratur, Gesetzestexten und Kommentaren verbarg. Mit einem
zweiten Blick bemerkte Frauke, dass der Anwalt auch auf dem Fußboden
Aktenmappen verteilt hatte.
    Madsack hatte gesagt,
dass die Kanzlei zu den angesehensten in Hannover gehörte. Damit war
offensichtlich auch viel Arbeit verbunden.
    »Danke, Gundolf«,
sagte Dr. Eigelstein und entließ den Bürovorsteher mit diesen Worten. Mit
seiner sauber manikürten Hand wies er auf den Besprechungstisch und nahm
gegenüber den beiden Beamten Platz. Er musterte die Polizisten und kniff dabei
die Augen ein wenig zusammen. Dann wandte er sich an Frauke und streckte ihr
die schlanke Hand entgegen. »Darf ich Ihre Legitimation sehen?«
    Frauke reichte ihm
den Dienstausweis, den er sorgfältig betrachtete. Zwischendurch warf er einen
Blick über den Rand der
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