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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Unknown
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behauptete, bis sie sich in den Wirren des Zweiten
Weltkrieges auflöste.
    Schon halbtrunken versuchte sie
lallend in einem unbeschreiblichen Sprachgemisch zu erklären, daß das alles
nichts sei gegenüber der »Kaukasischen Tour«, mit der man sie bei Gastspielen
in den walachischen Donaugebieten bekannt gemacht habe — ein sexueller Ritus,
bei dem die nackte Frau rücklings auf Hals und Nacken eines ungesattelten
Pferdes gebunden wurde, die Beine beiderseits an den Flanken des Tieres
herabhängend, worauf der Reiter sich zwischen ihnen auf das Pferd schwang und,
in die Frau eindringend, im Schritt, Trab, Galopp und en carriere über Hürden
und querfeldein reitend, die Frau bis zur beiderseitigen Erschöpfung ritt.
    Immerfort trinkend, weil man ihr
wenig Aufmerksamkeit schenkte, während sich Ludmilla mit gelassenen, einfachen
Gesten wieder bekleidete, erbot sie sich, diese »Kaukasische Tour« hier an Ort
und Stelle vorzuführen, mit dem Kavalier, der sich als Reiter bereit fände,
sofern nur zwei oder drei andere Herren die Funktion des in Gang befindlichen
Tieres übernähmen. Als auf dieses Anerbieten keine Antwort kam, leerte sie
abermals ihr Glas, suchte Streit mit der vermeintlichen Nebenbuhlerin, stürzte
sich auf Ludmilla und hätte sie bei ihrer hochtoupierten Frisur erwischt, würde
ein junger Honvedleutnant, den man Bela nannte, nicht dazwischen gekommen sein
und die Rasende massiv abgewehrt haben. Diese machte zwei Schritte rückwärts,
stolperte über einen Stuhl und übergab sich.
    Während Graf Kolowrat ein
Telefongespräch entgegennahm, auf das er offensichtlich schon gewartet hatte,
gab er die Anweisung, durch den Nachtportier einen Lohndiener zu beauftragen,
die Dame in ihr Quartier zu bringen. Der Dienstmann war prompt zur Stelle. Im
Sacher war man ähnlicher Situationen stets gewärtig und auf Zwischenfälle
vorbereitet.
    Dann bat Sascha Kolowrat seine
Gäste, sich der Kutschen und bereitgestellten Automobile zu bedienen und ihm zu
folgen. Sogar ein sogenannter Kremser stand zur Verfügung, als ginge es zu
einer lustigen pfingstlichen Heurigenfahrt. Man habe nun soviel über
ausgefallene Arten der Unterhaltung gesprochen, meinte der Graf, daß es
angemessen sei, sich einer anderen zu widmen, die sein Interesse seit geraumer
Zeit geweckt hätte. Man erfuhr, daß sich der adelige Unternehmer neuerdings mit
der Kinematographie abgab und eine Filmgesellschaft mit dem Namen Sascha
gegründet habe. Und die Fahrt sollte zu den provisorischen Filmateliers gehen,
die im Dachgeschoß eines dem Grafen gehörenden Zinshauses in der Neubaugasse im
Stadtbezirk Mariahilf eingerichtet waren (wo sich später tatsächlich die
Filmindustrie ansiedeln sollte).
    Doch sah man, dort angekommen, nur
noch die letzten Aufnahmen einer Stummfilmgroteske, für die der Graf den
amerikanischen Begriff Slapstick gebrauchte und die unbedingt noch nachts
beendet werden mußte, weil der Hauptdarsteller des Filmes am nächsten Tag in
Paris zurückerwartet wurde. Es war der beliebte, ja bereits berühmte
Stummfilmkomiker Max Linder. Als abgedreht war — seltsame Begriffe schuf die
Kinematographie — , als er also »abgedreht« war, blieb er noch eine Weile beim
Grafen und seinen Gästen, aus Höflichkeit eine Schale Veuve Cliquot nicht
verschmähend, obwohl der unscheinbare Mann angeblich Antialkoholiker war.
    Aber wie es so beim Film geht — plötzlich
war der Gehilfe des Kameramannes — Operateur nannte man ihn damals — mit
bleichem Gesicht aufgetaucht und gestand zähneklappernd, daß ihn in der
Dunkelkammer ein Mißgeschick ereilt habe. Die letzten Rollen hatten Licht
bekommen und waren unbrauchbar. Also Wiederholung, Nachaufnahme, alles zurück
auf die Plätze.
    Aber die kleine Schauspielerin,
die in diesen Finalszenen als Partnerin des großen Max figurierte, war schon
weg, wer weiß wohin, nicht zu Hause. Ludmilla trug sich kurz entschlossen als
Ersatz an. Sie hatte diese Szenen und Passagen gesehen und sich ihre Gedanken
dabei gemacht. Es bedurfte nur einer kurzen Verständigung über technische
Details der Arrangements, und Ludmilla hatte begriffen. Als Linder ihr die Hand
küßte und dabei komisch zu Sturz kam, ging sie in den Spagat, als er zu einer
ungeschickten Handbewegung ausholte, machte sie einen Salto rückwärts aus dem
Stand, in einer weiteren Sequenz baute sie einen Flic-Flac ein, der seine
erheiternde Wirkung nicht verfehlte, und als er sie mit täppischer Leidenschaft
küßte, verbog sie sich zu
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