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Das Filmbett

Das Filmbett

Titel: Das Filmbett
Autoren: Unknown
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allein bekannten Chiffren eingetragen
waren.
    Die autoritäre Herrscherin in
ihrem Bereich ließ sich wie die Freundin ihrer apostolischen Majestät, die
Burgschauspielerin Katharina Schratt, nur »Gnädige Frau« betiteln. Ein Zug
österreichischer Demokratie in einem absolutistischen Kaiserreich, der auch
durch das sich langsam entrückende Bild des greisen Monarchen schimmerte.
    Es war nicht gerade Saison, aber
kurz vor dem 18. August, Kaisers Geburtstag, da kam in Wien schon einiges
zusammen, obwohl das bejahrte Geburtstagskind zu dieser Zeit in Ischl seiner
Gamsjagd nachging. Sie wollte froh sein, wenn heute Nacht die Salons und
Separees abgeschlossen, die Sektkübel abgeräumt, die letzten Dessertteller
abserviert waren und die Abendkasse mit dem Bargeld und den Schuldscheinen
sowie ihre geheimen Aufzeichnungen in dem Tresor eingeschlossen werden konnten
und sie einem neu heraufkommenden Tag entgegenschlummern würde.
    Der junge Herr aus dem Erzhaus war
mit seiner Mitzi vom Hofopernballett bereits durch einen Nebenausgang
verschwunden, der cholerische Magnat aus dem Banat hatte seine Begleiterin — wer
immer das auch war — rüde in den nächsten Fiaker gesetzt und das junge
Stubenmädel ins Bett genommen, das — völlig verdattert — nicht wußte, wie es zu
dieser Ehre kam und nicht einmal danke schön auf ungarisch sagen konnte. Die
reizende Pia von Moosburg vom Landschaftlichen Theater in Linz hatte mit dem
Notar und Verteidiger in Strafsachen, Dr. Arthur Rabenalt aus der
Mariahilferstraße, soupiert, um bei ihm in einem Streitfall Rat einzuholen. Sie
hatte ihren Theaterdirektor geohrfeigt, sozusagen aus einem auf der Hand
liegenden Grund, weil die direktorialen Finger sich mehr herausgenommen hatten,
als ihnen anläßlich der Verlängerung eines schäbigen Saisonvertrages
billigerweise zugestanden werden durfte. Der theaterbesessene, in seinem Fach
gleichwohl ausgezeichnete Jurist hatte sie dann der Obhut des allmächtigen
Geheimen Komissionsrats Lubliner übergeben, dem Hohepriester aller mosaischen
Theateragenten, und er war sicher, daß sie ihre entzückende Hand hier nicht zu
Züchtigungszwecken gebrauchen würde, hatte er doch — statt Blumen — ihr ein
Angebot nach Graz oder wahlweise nach Brünn überreicht und gleichzeitig
angedeutet, daß er auch noch etwas nach »Draußen« in Petto habe. Draußen, das
hieß Deutschland und bedeutete exotisches Abenteuer — reizvoll, aber
gefährlich, voll unvorhersehbarer Risiken gegenüber der heimatlichen Nestwärme
des k. u. k.-Operettenbereiches, der von St. Pölten bis Klausenburg, Temesvar
und Szegedin, von Teschen-Bodenbach und Teplitz-Schönau bis Villach und
Klagenfurt, von Csernowitz bis Tarnopol reichte, wo ganze Garnisonen, eine
würdige Honoratiorenschaft und enthusiastische Schülerverbindungen bereit
waren, ihrer Operettendiva Kränze zu binden und ihr die Pferde auszuspannen.
Ganz zu schweigen von den spendefreudigen Großagronomen und jener
Fabrikantengeneration, die die schwierigen Gründerzeiten des Fin de siècle gut
überstanden hatte. Was sind dagegen so ferne Orte wie Kassel, Stuttgart und
Mannheim. Da konnte man ja gleich nach Berg-Zabern gehen. —
    Ob der junge Leutnant bei seiner
kindlichen Komtesse — die es ganz schön hinter den Ohren hatte — , endlich
gelandet war? Zeit wär es. Solche Tête-à-têtes brachten nur bescheidenen
Umsatz, die Bedienung klagte über zu geringe Trinkgelder und so harmlose Rendezvous’
forderten den zahlenden Gast nicht heraus, sein schlechtes Gewissen durch eine
generöse Opfergabe in die gekrümmten Handflächen des spalierstehenden
Servierpersonals zu beruhigen. Übrigens notierte sich Frau Sacher auf einem
zierlichen Briefblock aus schimmerndem Perlmutt, allen jungen Angestellten
nocheinmal einzubläuen, was den älteren ehernes Gesetz war: keinen der Herren
und Damen mit einem Namen oder Titel anzusprechen, so bekannt ihnen die
verschleierten Schönen oder die in zu enge Zivilanzüge gepreßten feschen
Militärchargen auch waren. Ja selbst das wertneutrale »Mein Herr« oder »Meine
Dame« waren zu vermeiden, sondern der Gast völlig zur Unperson zu machen. Man
mußte ihn als physische Erscheinung ignorieren durch Floskeln wie »Belieben gewählt
zu haben«, »Wünschen Heidsieck zu bevorzugen«, »der Rosenspitz möchte heute
besonders zu empfehlen sein und mit Champagnerkren als Beilage befohlen werden...«
Zur vorausgesetzten Wahrung des Inkognitos machte die ärarische Hof-
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