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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen
Autoren: Carlos Castaneda
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damit, eine neue Gattung von Sehern?« »Nachdem die Welt der ersten Tolteken vernichtet war, zogen sich die überlebenden Seher zurück und widmeten sich einer gewissenhaften Prüfung ihrer Praktiken. Als erstes führten sie Pirschen, Träumen und Absicht als zentrale Techniken ein, um der Einnahme von Kraft-Pflanzen entgegenzuwirken; vielleicht gibt uns dies einen Hinweis, was ihnen mit den Kraft-Pflanzen eigentlich widerfahren war.
    Der neue Zyklus war eben dabei, Fuß zu fassen, als die spanischen Eroberer in das Land einfielen. Zum Glück waren die neuen Seher mittlerweile gründlich darauf vorbereitet, es mit dieser Gefahr aufzunehmen. Sie waren bereits vollendete Praktiker in der Kunst des Pirschens.
    Die folgenden Jahrhunderte der Unterjochung boten diesen neuen Sehern ideale Bedingungen, um ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen. Merkwürdigerweise waren es gerade die ungeheure Härte und die Zwangsherrschaft jener Zeit, die sie beflügelten, ihre neuen Prinzipien zu verfeinern. Und aufgrund der Tatsache, daß sie niemals ihre Tätigkeit bekanntmachten, wurden sie in Ruhe gelassen und konnten ihre Ergebnisse systematisieren.«
    »Gab es eine große Zahl solcher neuer Seher zur Zeit der Konquista?« fragte ich.
    »Anfangs wohl. Gegen Ende waren sie nur eine Handvoll. Die übrigen waren vernichtet worden.« »Und wie ist es heute, Don Juan?« fragte ich. »Es gibt einige. Sie sind überall verstreut, verstehst du?« »Kennst du sie?« fragte ich. »So eine einfache Frage ist am schwersten zu beantworten«, erwiderte er. »Es gibt einige, die wir sehr gut kennen. Aber sie sind uns nicht sehr ähnlich, denn sie konzentrieren sich auf andere Aspekte des Wissens, wie etwa Tanzen, Heilen, Behexen, Sprechen; nicht aber auf die Dinge, welche die neuen Seher empfahlen, nämlich Pirschen, Träumen und Absicht. Jene, die uns ähnlich sind, würden niemals unseren Weg kreuzen. Die Seher, die während der Konquista lebten, haben es so verfügt, um zu vermeiden, daß sie in der Konfrontation mit den Spaniern vernichtet würden. Jeder dieser Seher begründete eine Schule. Und nicht alle fanden sie Nachfolger, so daß es nur noch wenige Schulen gibt.«
    »Kennst du welche, die uns genau gleichen?« fragte ich. »Einige«, antwortete er lakonisch.
    Dann bat ich ihn um alle Informationen, die er mir geben könne, denn ich war lebhaft an diesem Thema interessiert. Für mich war es wichtig, und zwar um der Verifizierung und wissenschaftlichen Überprüfung willen, Namen und Adressen zu erfahren. Don Juan schien nicht geneigt, mir entgegenzukommen. »Die neuen Seher haben diese Art der Überprüfung schon hinter sich«, sagte er. »Die Hälfte von ihnen ließen ihre Knochen in der Verifizierungskammer zurück. Darum sind sie nunmehr einsame Vögel. So wollen wir es lassen. Wir können lediglich über unsere Schule sprechen. Über sie können wir beide sagen, soviel wir wollen.«
    Alle diese Seher-Schulen, erklärte er, wurden zur selben Zeit und in derselben Weise begründet. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts begann jeder Nagual sich und seine Gruppe von Sehern bewußt gegen jeden Kontakt mit anderen Sehern abzuschirmen. Die Folge dieser drastischen Trennung, so sagte er, war die Herausbildung der einzelnen Schulen. Unsere Schule bestünde aus vierzehn Naguals und einhundertzwanzig Sehern. Manche dieser vierzehn Naguals hatten nicht mehr als sieben Seher um sich versammelt, andere hatten elf, und wieder andere bis zu fünfzehn.
    Er erzählte mir, daß sein Lehrer - oder sein Wohltäter, wie er ihn nannte - der Nagual Julian gewesen sei, und Julians Vorgänger war der Nagual Elias. Ich fragte ihn, ob er die Namen aller vierzehn Naguals wisse. Er nannte sie mir und bezeichnete sie mir näher, damit ich erführe, wer sie waren. Er sagte, daß er die fünfzehn Seher, die seines Wohltäters Gruppe bildeten, persönlich gekannt habe und daß er auch den Lehrer seines Wohltäters, den Nagual Elias, und die sieben Seher seines Zuges gekannt habe.
    Don Juan versicherte mir, daß unsere Schule eine große Ausnahme bilde, weil sie im Jahre 1723 einen tiefgreifenden Wandel durchmachte, und zwar infolge eines äußeren Einflusses, der auf uns einwirkte und unsere Richtung unvermeidlich änderte. Über das Ereignis selbst wollte er im Augenblick nicht sprechen, aber er sagte, daß sich aus jener Zeit ein neuer Anfang herleite und daß die acht Naguals, die seit damals die Schule geführt hatten, als ganz wesensverschieden von ihren Vorgängern
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