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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge
Autoren: Carsten Polzin
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und betrachtete die Flammen der Fackel: Sie zuckten und tanzten im starken Luftzug, als erlitten sie Schmerzen.
    »Wie es aussieht«, Ingrimmsch nickte in den Gang, »müssen wir da durch, um wieder zurück zu den anderen Stollen zu kommen. Wenn der ursprüngliche Weg weithin eingebrochen ist, kann es sehr lange dauern, bis wir wieder auf ihn stoßen.« Er nahm Balirgon die Fackel aus der Hand und marschierte los. »Außerdem möchte ich wissen, wer da so verdammt elend Spitzhacke, Hammer und Meißel geschwungen hat!« Er rief es sehr laut in die Dunkelheit, sodass ihm sein Bruder einen Stoß in den Rücken gab, um eine lautlose Rüge zu erteilen.
    Boëndal drängte sich an ihm vorbei, in der Linken hielt er Schild und Krähenschnabel, mit der Rechten nahm er ihm die Fackel ab. »Keinen Laut«, schärfte er ihm und den anderen ein. »Auch wenn der Tunnel alt ist, möchte ich nichts in seinem Innern aufwecken. Lieber überrasche ich jemanden, als umgekehrt.«
    »Mein Bruder fürchtet sich vor den Geistern des Gebirges«, kicherte Boïndil. Die Wirkung des Bieres ließ sich nicht verleugnen.
    Sie schritten langsam und vorsichtig durch den Gang und achteten auf Fallen und Löcher. Der Weg stieg leicht an, vollführte mehrere Knicke und verlief alsbald steiler. Wenn Boëndal nicht alles täuschte, bewegten sie sich auf das südliche Ende des Berges zu.
     
    *
     
    Gelegentlich versuchten er und Balirgon anhand der Spuren im Gestein herauszufinden, wer der Urheber des Tunnels war. Seine Höhe und Breite reichten aus, um einen gerüsteten, aufrecht gehenden Ork passieren zu lassen. Keine sehr angenehme Vorstellung für die Menschen und Zwerge – wenn man vom streitbaren Boïndil einmal absah.
    »Wisst ihr, was mich am meisten ärgert?«, sagte Ingrimmsch und drehte sich zu Balirgon um. »Dass wir das Bierfass nicht mitgenommen haben.« Die Männer lachten und stimmten ihm mit leisem Gemurmel zu. »Und eines möchte ich noch wissen: Wie habt ihr das eigentlich mit unseren Fackeln und Lampen gemacht?«
    »Da es kein Gas war, wie dein Bruder mir glaubhaft erklärte, waren es wohl die Berggeister«, meinte Balirgon und klang nicht, als scherze er.
    Doch damit war Boïndils Frage nicht beantwortet. Ganz im Gegenteil, jetzt wollte es der Krieger erst recht wissen, und seine angeborene Sturheit wurde durch den Alkohol im Verstand zusätzlich verstärkt. Er baute sich vor Balirgon auf und stemmte die Hände in die Hüften. Ein Bild von einem Kämpfer. »Es ist genug! Wir haben die Zyklenprüfung bestanden, und alles, was ich will, ist das letzte Geheimnis erfahren. Das steht uns zu!«
    »Seid leise! Da vorne wird der Gang breiter«, wisperte Boëndal beschwörend. »Verschiebt eure Streiterei auf nachher.«
    Balirgon jedoch, nicht minder benebelt, nahm die Herausforderung an. »Boïndil Ingrimmsch Zweiklinge! Du glaubst, weil du mich in einem vorgetäuschten Kampf geschlagen hast, könntest du mir imponieren?« Er legte eine Hand auf den Axtkopf. »Möchtest du einen zweiten Tanz mit mir und meiner Axt vollführen? Ich verspreche dir, dass ich dich nicht noch einmal schonen werde.«
    »Schonen?«, lachte er ihm ins Gesicht. »Du bist einfach nicht besser, das ist die Wahrheit!«
    »Ihr besoffenen Kinder des Schmiedes, reißt euch zusammen!« Boëndal eilte zu ihnen, um sich zwischen die beiden Streithähne zu drängen. Er war der Einzige, der sich seinem in Kampfrausch verfallenen Zwilling in den Weg stellen durfte, ohne getötet zu werden. Wenn Ingrimmsch von dem Fluch gepackt worden war, unterschied er nicht mehr nach Freund und Feind.
    Er hatte die halbe Strecke zu ihnen zurückgelegt – als seine Fackel erlosch.
    Bevor irgendjemand aus der Gruppe einen Laut von sich geben konnte, erklang ein schreckliches Heulen, das ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Alle wussten, dass es nichts Irdisches war. Und dass es irgendwo in diesem Gang hauste.
     
    *
     
    Boëndal riss seinen Schild hoch und duckte sich. Dabei vernahm er die entsetzten Rufe der Männer und die Geräusche von Waffen, die gezogen wurden.
    Es war wieder einmal stockfinster um sie herum, und das Heulen schwoll noch immer an. Ein eisiger Wind fegte durch den Tunnel, zerrte an ihren Kleidern und Haaren und brachte jeden Einzelnen zum Frösteln.
    »Weg hier!«, schrie einer der Männer und rannte los. Er prallte gegen Boëndal und schlug aus Angst nach ihm; scheppernd traf das Schwert gegen den Schild, ohne Schaden anzurichten. Die Schritte entfernten sich
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