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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge
Autoren: Carsten Polzin
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Geruch stieg ihm in die Nase: metallisch, süß und unangenehm.
    »Es wäre hilfreich, wenn einer von den Langen die Lampe auf dem Tisch entzündet«, schlug Ingrimmsch vor.
    Es gab kein Geräusch, die Menschen bewegten sich nicht.
    »Ich verspreche, dass ich niemanden angreifen werde«, lachte Boïndil und verstaute die Beile am Gürtel. »Es war ein Teil der Zyklenprüfung, das habe ich inzwischen …«
    »Still«, sagte Boëndal eindringlich. »Unsere nächste Prüfung hat begonnen.«
    »Riecht es hier nach Blut?«, vernahmen sie Balirgons verwunderte Stimme. »Hat sich einer von den … Bei Vraccas!«, schrie er unvermittelt. Es klirrte mehrmals hintereinander, als würde er trotz der Schwärze, in der sie standen, Schläge erkennen und abwehren. »Nein, bei Beroïn! Geh weg! GEH WEG! Ich verfluche Tion, da er …«
    Seine Stimme brach mitten im Satz ab. Es knirschte und schmatzte laut, Knochen brachen und Flüssigkeit plätscherte auf den Boden. Danach hörten die Zwillinge einen gerüsteten Körper fallen, gleich darauf folgte die Axt.
    »Tion? Was hat uns der Gott des Bösen gesandt?«, wisperte Ingrimmsch, der seine Beile wieder in den Fäusten hielt. Jemand schritt dicht an ihm vorüber, sie hörten schleifende Geräusche. »Heya!? Halt! Ist da wer?«
    Boëndal tastete sich zum Tisch vor. »Gib auf mich acht«, flüsterte er seinem Bruder zu und zündete den Docht an.
    Beide stöhnten vor Entsetzen auf, als sie den kleinen Raum im Schein des zitternden, schwachen Flämmchens sahen.
    Rund um die Stühle waren Lachen voller Blut, es troff von den Sitzflächen und den Rückenlehnen. Auch in der Nähe von Ingrimmsch befand sich eine große Pfütze, und breite Schleifspuren führten zur zerstörten Tür hinaus. Der Krug mit dem Felsöl fehlte ebenfalls.
    »Was bei allen …« Boëndal blickte hinaus in den finsteren Gang. »Ich verstehe das nicht.«
    »Albae«, war sein Bruder überzeugt. »Sie sind gekommen, um uns zu vernichten.«
    »Deswegen töten sie die Langen und Balirgon, nehmen das Öl an sich und lassen uns unbehelligt, obwohl sie genau wissen, dass wir hier sind?« Er berührte das Blut und verrieb es, roch daran. Für einen Augenblick hatte er geglaubt, dass es die zweite Stufe einer Zyklenprüfung sei, die sie erklommen, aber es handelte sich einwandfrei um echten Lebenssaft. »Ich vermag es nicht, mir einen Reim darauf zu machen.« Er nahm die Lampe und entzündete alle Leuchter und Fackeln, die er finden konnte. »Wir gehen mit unseren Erkenntnissen zum König. Alles andere bringt nichts.«
    Ingrimmsch hielt seinen Arm fest. »Albae laufen hier unten herum! Ich bin mir sicher!« Er blickte ihn streng an. »Wir müssen sie finden und vernichten!«
    Boëndal erkannte den auflodernden Kampfwahn. »Nein, wir verlassen die Stollen, Bruderherz. Ich verstehe nicht, was geschieht, aber jemand muss es unseren Freunden und Familien mitteilen, bevor etwas daraus erwächst, das schlimm enden kann.«
    Ingrimmsch war alles andere als einverstanden. Grummelnd pflückte er sich zwei Fackeln von der Wand und band sie sich nacheinander an den Unterarm, sodass sich die brennenden Enden eine halbe Armlänge vor seinen Fäusten mit den Beilen befanden. »Es kann losgehen.«
    »Sehr einfallsreich«, lobte Boëndal, der seine Laterne trug und nur eine Hand frei hatte.
    Rücken an Rücken gingen sie los, in bewährter Weise und sich stets im Kreis drehend.
    Sie sahen, dass die blutigen Schleifspuren den rechten Gang entlangführten, während sie selbst den Weg wählten, den sie gekommen waren.
    Es war totenstill.
    Gelegentlich zischte eine Fackel oder ein Kettenring klimperte, doch sonst gab es kein Geräusch. Der unbekannte Angreifer und Mörder der Menschen und des falschen Dritten blieb im Verborgenen und behelligte die Zwergenbrüder nicht weiter.
    Bald erkannten sie auch den Grund dafür.
    Nach vierzig Schritten endete ihre Wanderung vor einem Schutthaufen. Ein Teil des Gangs war eingebrochen, hier gab es kein Durchkommen.
    Boëndal sah Ingrimmsch mürrisch an. »Wollen wir wetten?«
    »Was denn?«
    »Dass der einzige Weg in die Freiheit durch den Tunnel führt, in dem wir die Blutspuren gesehen haben.« Boëndal atmete tief ein. »Gut. Wenn Vraccas es so verlangt, werden wir seinem Willen folgen.«
    »Und bei der Gelegenheit ein paar Albae aufschlitzen«, gluckste Boïndil mit beinahe kindlicher Freude.
    Sein Bruder blickte ihn ernst an. »Beim göttlichen Schmied! Kam es dir jemals in den Sinn, dass du bei einem
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