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Das fehlende Glied in der Kette

Das fehlende Glied in der Kette

Titel: Das fehlende Glied in der Kette
Autoren: Agatha Christie
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Inglethorp Strychnin gekauft?»
    «Nein, das ist eine Lüge!»
    «Ich behaupte, dass Sie in einem Anzug von Mr. Inglethorp und mit einem schwarzen Bart verkleidet dort waren – und mit seinem Namen unterschrieben haben!»
    «Das ist absolut unwahr.»
    «Dann will ich die bemerkenswerte Ähnlichkeit zwischen der Handschrift des Briefes, der Unterschrift im Giftbuch und Ihrer eigenen Handschrift dem Urteil der Geschworenen überlassen», sagte Mr. Philips und setzte sich mit der Miene eines Mannes hin, der seine Pflicht getan hat, aber angewidert war von solch kaltblütigem Meineid.
    Danach war es so spät, dass die Verhandlung auf den nächsten Morgen vertagt wurde.
    Ich merkte, dass Poirot äußerst entmutigt dreinsah. Ich kannte die kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen nur zu gut.
    «Was ist denn, Poirot?»
    «Ach, mon ami, die Dinge laufen schlecht, sehr schlecht.»
    Gegen meinen Willen tat mein Herz vor Erleichterung einen Sprung. Offensichtlich stand zu erwarten, dass John Cavendish freigesprochen wurde.
    Nach unserer Rückkehr lehnte mein kleiner Freund Marys Einladung zum Tee ab.
    «Nein, danke, Madame, ich möchte in mein Zimmer gehen.»
    Ich folgte ihm. Er hatte immer noch die Stirn gerunzelt und ging zum Tisch, wo er einen Stapel Patience-Karten aufnahm. Dann setzte er sich an den Tisch und begann zu meinem grenzenlosen Erstaunen mit dem Bau eines Kartenhauses!
    Ich blieb mit offenem Mund stehen, und er sagte sofort:
    «Nein, mon ami, ich bin noch nicht senil, sondern ich beruhige meine Nerven, das ist alles. Dazu muss ich meine Finger beschäftigen. Mit der Präzision der Finger wächst auch die Präzision des Denkens. Und die hatte ich nie nötiger als jetzt!»
    «Was ist denn das Problem?»
    Mit einem mächtigen Hieb auf den Tisch zerstörte Poirot sein Kartenhaus.
    «Das Problem ist Folgendes, mon ami! Ich kann zwar siebenstöckige Kartenhäuser bauen, aber ich kann» – wumm – «nicht herausfinden» – wumm –, «welches das letzte Glied der Kette ist, von dem ich Ihnen erzählt habe.»
    Mir fiel dazu keine Entgegnung ein, deshalb hielt ich den Mund, und er fing langsam mit dem Bau eines neuen Kartenhauses an. Dabei stieß er die Worte hervor:
    «Geschafft – so! Mit mathematischer Präzision – eine Karte – auf die andere – stellen!»
    Ich sah das Kartenhaus unter seinen Händen in die Höhe wachsen. Er zögerte und stockte keinen Augenblick. Es war fast wie ein Zauberkunststück.
    «Sie haben sehr ruhige Hände», bemerkte ich. «Ich glaube, ich habe Ihre Hände bisher nur einmal zittern sehen.»
    «Bestimmt in einer Situation, wo ich sehr wütend war», bemerkte Poirot sehr gleichmütig.
    «Genau! Sie waren von blinder Wut ergriffen. Wissen Sie noch? Als Sie entdeckten, dass das Schloss von Mrs. Inglethorps Aktenkoffer in ihrem Zimmer aufgebrochen worden war. Sie standen am Kamin und rückten Gegenstände gerade, wie Sie das immer zu tun pflegen, und Ihre Hand zitterte wie Espenlaub! Ich muss schon sagen…»
    Aber dann hielt ich plötzlich inne, denn Poirot hatte einen heiseren, unartikulierten Schrei ausgestoßen. Er zerstörte abermals sein Meisterwerk aus Spielkarten, legte die Hände über seine Augen und wankte wie unter größten Schmerzen vor und zurück.
    «Gütiger Himmel, Poirot!», rief ich. «Was ist los? Sind Sie krank?»
    «Nein, nein!» Er rang nach Luft. «Es ist nur – ich – ich habe eine Idee!»
    «Oh!» Ich war sehr erleichtert. «Eine von Ihren kleinen Ideen?»
    «Ah, ma foi, nein!», erwiderte Poirot. «Diesmal ist es eine gigantische Idee! Wahnsinnig! Und Sie – Sie, mein Freund, haben mich darauf gebracht!»
    Plötzlich schloss er mich in seine Arme, küsste mich herzlich auf beide Wangen, und bevor ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, war er aus dem Zimmer gestürzt.
    In diesem Augenblick kam Mary Cavendish herein.
    «Was ist denn mit Monsieur Poirot los? Er rannte an mir vorbei und rief laut: ‹Eine Autovermietung! Um Himmels Willen, wo finde ich eine Autovermietung, Madame?› Und bevor ich ihm antworten konnte, war er aus dem Haus gerannt.»
    Ich eilte zum Fenster. Richtig, da war er und rannte die Straße hinunter, ohne Hut und wild gestikulierend. Ich drehte mich zu Mary um und machte eine hilflose Geste.
    «Gleich wird ihn ein Polizist festnehmen – da verschwindet er um die Ecke!»
    Unsere Blicke trafen sich und wir starrten uns hilflos an.
    «Was kann denn nur passiert sein?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht. Er baute
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