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Das Exil Der Königin: Roman

Das Exil Der Königin: Roman

Titel: Das Exil Der Königin: Roman
Autoren: Cinda Williams Chima
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Fetzen hingen um ihre Köpfe oder Arme oder Beine. Viele trugen die leichte Kleidung der Flatlander, und manche gingen barfuß.
    Diese Leute mussten Delphi bei Tagesanbruch verlassen haben. Wenn sie für den Weg bis hierher so lange gebraucht hatten, würden sie den Pass nicht mehr vor Einbruch der Nacht erreichen. Und von da aus waren es noch einmal zwei weitere Tage bis Marisa Pines.
    »Die Kälte wird ihnen da oben zusetzen«, sagte Han. »Die Steine werden ihre Füße aufschrammen. Und wie sollen die Lýtlings den Aufstieg schaffen? Was denken die sich nur?«
    Ein kleiner Junge von etwa vier Jahren stand mitten auf dem Weg und weinte. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, und sein ganzes Gesicht war vor Not und Leid verzerrt. »Mama!«, schrie er in der Sprache der Flatlander. »Mama! Ich habe Hunger!« Aber es war keine Mama zu sehen.
    Von Schuldgefühlen gepackt, griff Han in seine Tasche und zog einen Apfel heraus. Er beugte sich im Sattel nach unten und streckte ihn dem Jungen entgegen. »Hier«, sagte er und lächelte. »Nimm den.«
    Der Junge taumelte zurück und riss die Arme hoch, als wollte er sich schützen. »Nein!«, schrie er voller Panik. »Geh weg!« Er fiel auf den Rücken, und schrie immer noch aus Leibeskräften.
    Ein schmalgesichtiges Mädchen, dessen Alter Han unmöglich schätzen konnte, riss ihm den Apfel aus der Hand und lief mit ihm davon, als verfolgten es Dämonen. Han starrte dem Mädchen hilflos nach.
    »Lass es gut sein, Hunts Alone«, sagte Dancer und benutzte Hans Clan-Namen. »Wahrscheinlich haben sie schlechte Erfahrungen mit Reitern gemacht. Du kannst sie nicht alle retten.«
    Ich kann niemanden retten, dachte Han.
    Nachdem sie eine Biegung umrundet hatten, sahen sie unterhalb von sich die Grenzbefestigung liegen – eine verfallene Festung mit einer zerklüfteten Steinmauer, deren schlimmste Löcher in Ermangelung von richtigen Reparaturen mit Eisendornen und Stacheldraht gefüllt waren. Die Mauer verlief den Pass entlang, stieß auf beiden Seiten an die Gipfel, und in ihrer Mitte befand sich ein massives steinernes Torhaus, das die Straße überspannte. Eine kleine Reihe von Handelswagen, die nach Süden unterwegs waren, und Leute mit Marschgepäck schoben sich langsam durch das Tor, während der Verkehr, der nach Norden unterwegs war, ungehindert passieren konnte.
    Eine Art Dorf war um die Festung herum aus dem Boden geschossen, wie Pilze nach dem Regen. Es handelte sich um eine Mischung aus schlichten Unterständen, vergammelten Hütten, Zelten und mit Segeltuch bespannten Wagen. Ein behelfsmäßiger Pferch umschloss ein paar heruntergekommene Pferde und magere Kühe.
    Einzelne Flecken von strahlendem Blau tummelten sich wie eine Handvoll Herbstastern beim Tor. Blaujacken. Die Wache der Königin. Eine düstere Vorahnung fuhr wie ein eiskalter Finger über Hans Rückgrat.
    Wieso bewachten Blaujacken diese Grenze?
    »Ich könnte ja verstehen, wenn sie die Flüchtlinge überprüfen, die zu uns reinwollen«, sagte er mit finsterem Gesicht. »Um zu verhindern, dass Spione dabei sind. Aber wieso sollte es sie kümmern, wer das Königreich verlässt ?«
    Dancer ließ seinen Blick an Han auf und ab schweifen und biss sich auf die Unterlippe. »Nun, ganz offensichtlich suchen sie nach jemandem.« Er machte eine Pause. »Würde die Wache der Königin diesen ganzen Zirkus veranstalten, nur um dich zu kriegen?«
    Han zuckte mit den Schultern in dem Versuch, diesen Gedanken abzuschütteln. Wenn er so gefährlich war, hätten sie es dann nicht begrüßen müssen, wenn er sich außerhalb des Königinnenreichs befand statt drinnen?
    »Kommt mir unwahrscheinlich vor, dass Ihre Mächtigkeit, die Königin, all das wegen ein paar toter Southies veranstaltet«, sagte er. »Vor allem, da das Morden ja aufgehört hat.«
    »Aber du hast ihrem Hohemagier ein Messer in die Seite gerammt«, erinnerte Dancer ihn. »Vielleicht ist er ja tot.«
    Stimmt. Das war nicht zu leugnen. Obwohl Han nicht wirklich glauben konnte, dass Lord Bayar tot war. Seiner Erfahrung nach lebte das Böse weiter, und es waren die Unschuldigen, die starben. Aber vielleicht hatten die Bayars ja die Königin davon überzeugt, dass es den zusätzlichen Schweiß wert wäre, den es bedeutete, ihn in Ketten zu legen.
    Andererseits wollten die Bayars vor allem ihr Amulett zurückhaben, dachte Han. Konnten sie es riskieren, dass die Wache der Königin ihn bekam? Nur zu leicht konnte er unter Folter alles ausspucken, was er über
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