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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben
Autoren: Wolf Haas
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Prüfung durchfallen lassen, wenn du dich nicht sensibel genug in den Verbrecher hineingedacht hast, und ist ja im Grunde auch richtig so, ich sage, genau so gehört es. Aber natürlich die Folgen, wenn du als Polizeischüler zu sensibel gewesen bist.
    Weil es gibt immer solche und solche. Viele nehmen es nicht ernst genug, da stimme ich dem Prototnig voll und ganz zu. Aber die vier haben es wieder zu ernst genommen. Am Anfang natürlich nur spielerisch, weil da haben sie einmal mit der ganzen Polizeischulklasse eine Exkursion in die Puntigamer Raiffeisenkasse gemacht. Der Köck und der Kripochef Aschenbrenner, also heute Kripochef, damals natürlich Polizeischüler Aschenbrenner, die haben rein spielerisch den Plan entwickelt, quasi Fleißaufgabe. Wie wurde der Gauner es machen. Wie konnte man die Filiale der Raiffeisenkasse ausräumen, bevor sie in einem halben Jahr auf das neue Alarmsystem umgestellt wird. Zuerst nur der Plan, rein geistig. Ein paar kleinere Vorbereitungsarbeiten.
    Ein bisschen Ernst ist erst in die Sache gekommen, wie der Köck auf einmal mit den vier Walther-Pistolen dahergekommen ist. Aber die Idee mit den Trachtenanzügen war vom Saarinen. Weil der Saarinen dann auch noch dabei, das war damals sogar der beste Freund vom Brenner, jetzt der Brenner natürlich auch dabei.
    Der Saarinen hat gesagt, mit den Trachtenanzügen halten sie uns auf der Straße für verkleidet, aber in der Raiffeisen-kasse halten sie uns für normal angezogen und auf der Flucht wieder für verkleidet, praktisch perfekte Tarnung.
    Das war ja damals nicht so wie heute, wo man mit dieser Verkleidung wieder auf die Straße geht, auch wenn kein Fasching ist. Aber eines war damals gleich, sie haben die Filiale am Faschingsdienstag schon früher zugesperrt, und wie die Angestellten geistig schon mehr beim Umzug als hinter dem Schalter waren, sind die vier Polizeischüler in ihren Trachtenanzügen hineinspaziert.
    Der Brenner ist jetzt über die Straße zum ArnoldSchwarzenegger-Stadion hinüber und hat über seinen besten Freund nachgedacht, der seit dreißig Jahren tot war und den alle Saarinen genannt haben, weil er so von dem finnischen Motorradrennfahrer geschwärmt hat. Er hat sogar ein Poster von ihm im Polizeischulspind hängen gehabt, der Brenner ein Poster vom Jimi Hendrix, der '71 an seinem Erbrochenen erstickt ist, der finnische Rennfahrer dann 1973 in Italien tödlich verunglückt, aber sein Fan aus der Grazer Polizeischule hat das nicht mehr erlebt, weil der ist ja schon drei Monate vor seinem Vorbild tödlich verunglückt, sprich zu schnell von der Raiffeisenkasse weggefahren.
    »So ein Scheiß-Pech«, hat der Brenner geflucht, während er die gut versteckte Klingel für die Hausmeisterwohnung im Arnold-Schwarzenegger-Stadion gesucht hat. Weil was glaubst du, wenn so eine Stadionklingel nicht gut versteckt wäre, wurden die Fußball-Rowdies dauernd lauten, da wirst du wahnsinnig als Köck. Aber der Brenner hatte es eigentlich vom letzten Mal wissen müssen, wo sie war. Dann hat er sich gefreut, wie es ihm doch wieder eingefallen ist. Aber die Freude darüber war nur eines von diesen kleineren Gefühlen mitten in einem ganz anderen Gefühl, weil ob du es glaubst oder nicht. Während er die Klingel gedrückt hat, sind ihm auf einmal die Tränen heruntergelaufen. Dass es so was gibt! Damals, wie sein Freund in der Rudersdorf er Straße verunglückt ist, hat er nicht geweint, beim Begräbnis am Zentralfriedhof auch nicht geweint, aber jetzt, dreißig Jahre später, kommen ihm auf einmal die Tränen, das ist bei Männern oft ein bisschen verspätet.
    Dem Brenner war es direkt ein bisschen peinlich vor sich selber. Ich muss ganz ehrlich sagen, ich mag es auch nicht, wenn Männer weinen, es passt nicht recht, aber ich sage, wenn schon, dann bitte gleich und nicht dreißig Jahre nachher, das ist die schlechteste Version, und genau so machen es die meisten.
    Beim Köck hat er dann wieder nicht geweint.
    Jetzt müsste der Brenner schon dreiundachtzig Jahre alt werden, wenn er über den Köck auch erst mit dreißig Jahren Verspätung weinen will, weil mehr als einen halben Tag war der Köck bestimmt noch nicht tot.
    Der Brenner hätte sogar eher getippt, dass er erst zwei, drei Stunden mit dem Loch im Kopf auf seinem hellgrünen Sofa gesessen ist. Aber nicht dass du dir jetzt Sorgen um den hellen Sofabezug machst, weil das Köck-Sofa war ja so hässlich, das wäre durch ein paar Liter Blut eher schöner geworden, aber so viel
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