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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus
Autoren: Agatha Christie
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ein theatralisches Verhalten zeigte, weil sie tatsächlich Theater spielte. Mich hat verwirrt, wie einfach und gleichzeitig komplex alles war. Ich erkannte sehr rasch, dass ich gegen Ihren Erfindungsreichtum zu kämpfen hatte und dass Sie alle Hilfe und Ermunterung von Ihren Verwandten bekamen, sobald die wussten, was Sie wollten!« Er machte eine kleine Pause. »Warum wollten Sie selbst das eigentlich?«
    »Weil John mich darum gebeten hat! Das hat er nämlich gemeint, als er ›Henrietta‹ sagte. In diesem einen Wort lag alles. Er hat mich gebeten, Gerda zu beschützen. Verstehen Sie, er hat Gerda geliebt. Ich glaube, er hat sie viel mehr geliebt, als ihm selbst je klar war. Mehr als Veronica Cray. Mehr als mich. Gerda hat ihm gehört, und John mochte Dinge, die ihm gehören. Er hat gewusst, wenn es einen Menschen gibt, der Gerda vor den Folgen ihrer Tat bewahren konnte, dann bin ich das. Und er hat gewusst, dass ich tun würde, was immer er wollte, weil ich ihn liebte.«
    »Und Sie fingen gleich damit an«, sagte Poirot grimmig.
    »Ja. Das Erste, was mir einfiel, war, ihr den Revolver abzunehmen und ins Wasser zu werfen. Das würde die Sache mit den Fingerabdrücken erschweren. Als ich später erfahren habe, dass er mit einer anderen Waffe erschossen worden war, bin ich die suchen gegangen, und ich fand sie natürlich sofort, ich wusste ja genau, wo Gerda so etwas verstecken würde. Ich war höchstens ein, zwei Minuten schneller da als Inspektor Granges Männer.«
    Sie hielt inne. »Ich habe sie in meine Reisetasche gesteckt und gewartet, dass ich sie mit nach London nehmen konnte. Dann habe ich sie im Atelier versteckt, bis ich sie wieder zurückbringen konnte. Ich hatte ein Versteck, das die Polizei nicht finden konnte.«
    »Das Pferd aus Lehm«, murmelte Poirot.
    »Woher wussten Sie das? Ja, ich habe den Revolver in ein Schwammsäckchen eingewickelt und mit den Drähten festgebunden und etwas Lehm darüber geklatscht. Die Polizei konnte ja schließlich schlecht das Meisterwerk einer Künstlerin zerstören, nicht? Woher haben Sie gewusst, wo der Revolver war?«
    »Aus der Tatsache, dass Sie gerade ein Pferd modellierten. Das Trojanische Pferd war eine unbewusste Assoziation Ihres Hirns. Und die Fingerabdrücke – wie haben Sie das mit den Fingerabdrücken angestellt?«
    »Die sind von einem blinden alten Mann, der auf der Straße Streichhölzer verkauft. Er wusste nicht, was er anfasst, als ich ihn ihm kurz in die Hand gedrückt habe, um Geld aus der Tasche zu holen!«
    Poirot sah sie einen Moment lang an »C’est formidable!«, murmelte er schließlich. »Sie sind einer der besten Gegenspieler, die ich je hatte, Mademoiselle.«
    »Aber es war entsetzlich anstrengend, Ihnen immer einen Schritt voraus zu sein!«
    »Ich weiß. Ich habe die Wahrheit selbst erst allmählich begriffen, als mir das Muster klar wurde. Es lief nie auf eine Person hinaus, sondern auf alle – außer Gerda Christow. Jeder Hinweis führte von ihr weg. Sie selbst hatten Yggdrasil so platziert, dass es meine Aufmerksamkeit erregen und Sie verdächtig machen musste. Lady Angkatell wusste ganz genau, was Sie taten, und hat sich einen Spaß daraus gemacht, den armen Inspektor Grange dauernd auf neue Fährten zu setzen. Zu David, zu Edward, zu sich selbst. O ja, es gibt nur eins, wenn man jemanden, der tatsächlich schuldig ist, von jedem Verdacht fernhalten will. Man muss überall anderweitig Schuldige suggerieren, aber nie genau sagen, wo. Deshalb hat hier jeder kleine Hinweis viel versprechend ausgesehen, sich aber immer mehr verlaufen und ist schließlich im Nichts verschwunden.«
    Henrietta sah auf die Mitleid erregende, zusammengekauerte Gestalt auf dem Stuhl. »Arme Gerda«, sagte sie.
    »Haben Sie immer so für sie empfunden?«
    »Ich glaube schon. Gerda hat John wahnsinnig geliebt, aber als das, was er wirklich war, mochte sie ihn nicht lieben. Sie hat ihn auf ein Podest gestellt und mit allen Attributen eines wunderbaren edlen und selbstlosen Charakters ausgestattet. Aber wenn man ein Idol vom Sockel stürzt, bleibt nichts übrig.« Sie hielt kurz inne. »John war doch etwas viel Wertvolleres als bloß ein Idol auf einem Podest. Er war ein echter, lebender, vitaler Mensch. Er war großzügig und warm und lebhaft, und er war ein großartiger Arzt – ja, ein großartiger Arzt. Und jetzt ist er tot, und die Welt hat einen ganz großartigen Menschen verloren. Und ich den einzigen Mann, den ich je lieben werde.«
    Poirot legte ihr sanft
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