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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus
Autoren: Agatha Christie
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musterte ihre Besucherin aus zwinkernden wässerigen Augen.
    Sie war genau so, wie John sie immer beschrieben hatte, und Henrietta bekam plötzlich ein warmes Gefühl, ihr wurde leichter ums Herz. Das hier war wirklich – und es würde bleiben! Hier hatte sie, jedenfalls für den Augenblick, John wieder.
    »Der arme Dockter. Furchbar, nich?«, sagte Mrs Crabtree. In ihrer Stimme schwangen gleichzeitig freudige und traurige Töne, denn Mrs Crabtree liebte das Leben, und plötzliche Tode – ganz besonders Morde oder Sterben im Kindbett – waren die lebhaftesten Muster im Teppich des Lebens. »Sich so wegpusten zu lassen! Hat mir richtich’n Magen umgedreht, wie ich's gehört hab, wirklich wahr. Hab ja alles gelesen, in der Zeitung. Hat mir die Schwester gegeben, alles, was sie kriegen konnte. Fand ich richtich nett von ihr, wirklich wahr. Mit Bildern und alles. Das Schwimmbecken und so. Wie seine Frau da aus’m Gericht kommt, das arme Ding, und diese Lady da, wo das Schwimmdings gehört. Waren ja ganz viel Bilder. Is ja wohl richtich ‘n Geheimnis, das Ganze, was?«
    Henrietta fühlte sich von ihrer makabren Freude nicht abgestoßen. Sie fand sie sogar gut, weil sie wusste, dass sie John gefallen hätte. Wenn er schon sterben musste, hätte er lieber gehabt, dass Mrs Crabtree ihren Honig daraus sog, als dass sie schluchzte und Tränen vergoss.
    »Ich hoff ja bloß, dass die den schnappen und aufhängen, der das gemacht hat«, fuhr Mrs Crabtree rachelustig fort. »Gibt ja heute kein Aufhängen mehr vor Publikum wie früher – richtich schade. Ich hab immer gedacht, ich möcht ja gern mal zu so was. War natürlich doppelt toll, verstehen Sie mich nich falsch, aber den Kerl hängen zu sehen, wo den Dockter umgebracht hat! Richtich gemein is der doch, wirklich wahr. Der Dockter war ja – so was gibt’s nur einmal unter tausend. Und so klug, wirklich wahr! Und war immer so nett mit ihm! Hat ein immer zum Lachen gekriegt, ob man wollte oder nich. Was der manchmal von sich gegeben hat! Ich hätt alles für den Dockter getan, wirklich wahr!«
    »Ja«, sagte Henrietta, »er war ein kluger Mann. Er war ein großartiger Mensch.«
    »Hier im Krankenhaus halten sie ja auch große Stücke auf ihn, wirklich wahr! Die ganzen Schwestern. Und die Patienten! Man hat immer das Gefühl gehabt, wird alles gut, wenn er da gewesen war.«
    »Also wird auch alles gut bei Ihnen«, sagte Henrietta.
    Die gescheiten Äuglein verdüsterten sich einen Moment lang. »Da bin ich nich so sicher, Mädelchen. Hab doch jetzt so’n jungschen Dockter mit Brille, der einem nichts sagt. Ganz was anderes als Dr. Christow. Der lacht nie! Der Dr. Christow dagegen, wirklich wahr – immer’n Witz parat! ›Ich kann nich mehr, Dockter‹, hab ich immer gesagt, und er immer: ›Doch, können Sie, Mrs Crabtree. Sind doch zäh, wirklich wahr. Sie schaffen das. Sie und ich, wir machen noch Medizingeschichte.‹ So hat der einen immer aufgemuntert. Hätt alles für den Dockter getan, wirklich wahr! Hat ja viel von einem verlangt, das hat er, aber man hatte immer das Gefühl, man kann ihn doch nich hängen lassen, verstehen Sie?«
    »Ich weiß«, sagte Henrietta.
    Die scharfen Äuglein musterten sie jetzt genauer. »Entschuldigen Sie, Liebchen, Sie sind nicht zufällig die Frau vom Dockter, was?«
    »Nein«, sagte Henrietta. »Ich bin nur eine Freundin.«
    »Verstehe«, sagte Mrs Crabtree.
    Henrietta hatte den Eindruck, dass sie wirklich verstand.
    »Und wieso kommen Sie hierher, wenn ich mal fragen darf?«
    »Der Doktor hat mir so viel von Ihnen erzählt – und von seinem neuen Heilverfahren. Ich wollte einfach sehen, wie es Ihnen geht.«
    »Ach, ich hab’n Rückfall – so geht’s mir.«
    Henrietta schrie auf: »Aber Sie dürfen keinen Rückfall haben! Sie sollen sich erholen.«
    Mrs Crabtree grinste. »Ich will nicht abkratzen, glauben Sie das ja nicht!«
    »Dann kämpfen Sie! Dr. Christow hat immer gesagt, Sie sind eine Kämpferin.«
    »Hat er gesagt?« Eine Weile lag Mrs Crabtree still da. Dann sagte sie nachdenklich: »Wer immer das war, wo den erschossen hat, das ist ‘ne gemeine Schande! So einen wir den Dockter gibt’s nich viele.«
    Wir werden seinesgleichen nicht mehr finden, ging Henrietta durch den Kopf!
    Mrs Crabtree sah sie eindringlich an. »Halten Sie die Ohren steif, Liebchen«, sagte sie, »‘ne schöne Beerdigung hat er doch hoffentlich gehabt.«
    »Eine wunderschöne Beerdigung«, sagte Henrietta freundlich.
    »Ach, Mann! Was wär
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