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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen
Autoren: Shannon Drake
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Nein sage?«
    »Das werde ich nicht zulassen, Megan. Ich habe dir viel zu sagen.«
    »Ich auch, Finn, aber … wir haben noch jede Menge Zeit zum Reden. Später.«
    Sie schmiegte sich noch enger an ihn. Geballte Spannung und Hitze schlugen ihm entgegen, ihm war, als würde er in flüssiges Feuer getaucht. Er erbebte von Kopf bis Fuß. Seine Stimme wurde ganz rau.
    »Was ist mit deinen Eltern?«
    »Auf einem Wochenendausflug«, wisperte sie.
    Sie zitterte. Er hob sie hoch und trug sie ins Haus.
    Erst viele Stunden später redeten sie.
    Und irgendwie fand er die richtigen Worte.
    In Boston war der Tag herrlich gewesen.
    Kristallblauer Himmel, wunderschön.
    Ein Samstag. Kinder bevölkerten die Parks. In Little Italy wurde überall Boccia gespielt. Touristen strömten durch die Faneuil Hall und standen Schlange vor dem Geburtshaus des amerikanischen Freiheitskämpfers Paul Revere. September und Oktober brachten einen steten Strom an Menschen nach Neuengland und vor allem nach Beantown, wie Boston im Volksmund hieß, aber auch an die nördliche Küste und weiter hoch. Das Herbstlaub war wie ein hell leuchtendes Signalfeuer, eine wahre Augenweide.
    Langsam brach die Nacht herein, es war zwar kühl, aber nicht richtig kalt – einfach angenehm. Samstagabend war die Zeit, in der es sich Paare wie Alleinstehende gut gehen ließen. Familien gingen zum Essen, die Klubs hatten lange geöffnet.
    Der Sonntag kam und ging.
    Alles in allem war es ein ruhiges Wochenende für eine Großstadt, in der es wie in allen Großstädten natürlich auch Verbrechen gab.
    Erst am Dienstagmorgen, als Theresa Kavanaugh den zweiten Tag in der Arbeit fehlte, meldete man sie als vermisst.
    Alle möglichen Leute wurden befragt, doch seit sie Freitagnacht die Bar verlassen hatte, war sie von niemandem mehr gesehen worden.
    Sie hatte mit einem Mann am Billardtisch geflirtet.
    Seltsamerweise konnte ihn niemand näher beschreiben.
    Nichts wies darauf hin, dass sie in ihre Wohnung zurückgekehrt war. Aber auch auf dem Weg von der Bar zu ihrer Wohnung deutete nichts auf ein Gewaltverbrechen hin.
    Es gab keine Hinweise, nichts.
    Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.
    Wie jährlich Hunderte, ja Tausende junger Frauen im ganzen Land war Theresa Kavanaugh einfach verschwunden.
    Sie war über einundzwanzig, also erwachsen. Vielleicht hatte sie beschlossen, einfach zu verschwinden. Das Recht dazu hätte sie gehabt.
    Ihre Kolleginnen spekulierten, was wohl aus ihr geworden war.
    Keine konnte sich näher an den Mann vom Billardtisch erinnern. Alle wussten nur eines: Er hatte verdammt gut ausgesehen, ja, richtig … teuflisch aufregend.

1
    Megan schrie. – In der schrecklichen Wirklichkeit, die sie umfing, hörte sie sich schreien.
    In der Dunkelheit stieg eine Angst in ihr auf, die sie zu überwältigen, zu ersticken drohte. Eine düstere Gestalt betrat den Raum und sie fühlte sich entsetzlich ausgeliefert. Adrenalin strömte durch ihre Adern, Verzweiflung ergriff sie, und sie wusste, dass sie handeln und um ihr Leben kämpfen musste.
    Das Geräusch hielt an, sie hörte sonst nichts, sie schrie und schrie im Bewusstsein der tödlichen Bedrohung. Und noch eines wusste sie: Sie hatte irgendetwas gesagt oder getan, um all das herbeizuführen. Es kam ihr alles bekannt vor – die Gestalt, die erschien, die Angst, das schreckliche Wissen darum, was als Nächstes kommen würde. Sie fühlte die Gewalt, die von ihm ausging, seine Berührung auf ihrem Haar, auf ihren Kleidern; die Schläge, als sie sich wehrte; die Hände um ihren Hals …
    Gesichtslos – er war gesichtslos. Aber sie kannte ihn, sie kannte ihn ganz bestimmt.
    Sie kannte seine Hände. Zuerst legten sie sich um ihren Hals, dann drückten sie sie nach unten. Sie wusste, dass sie sterben würde. Sie wusste nur noch nicht, wie. Würden diese kräftigen Hände das Leben aus ihr pressen, oder wollten sie sie nur bezwingen? Würde es ein Messer geben, eine Klinge, die ihr den Hals aufschlitzte und das Blut spritzen ließ?
    Egal – es würde passieren, und sie wusste es. Noch immer konnte sie sein Gesicht nicht sehen, sie sah nur Dunkelheit. Und plötzlich vernahm sie andere Geräusche, ein leises Flüstern hinter ihrem Kreischen, ein Summen, Stimmen, viele Stimmen.
    Wispern, Lachen.
    Unheimliches Lachen, böses Lachen …
    Sie schrie noch lauter, kämpfte noch heftiger. Jetzt kämpfte sie nicht nur verzweifelt um ihr Leben; nein, sie wollte auch diese spöttischen Laute ersticken, die bis in ihre
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