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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder
Autoren: Lisa Moos
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getrunken und getanzt.
    Unsere Haushälterin, unsere Mrs. Elli, wie wir sie spaßeshalber nannten, wurde von den Mädchen je nach Verdienst am Abend bezahlt. Dafür konnten wir nach unseren Besuchen im Zimmer alles stehen und liegen lassen. Elsa ging direkt »danach« nach oben und brachte alles in Ordnung, bezog die Betten, legte saubere Handtücher und Bademäntel bereit und räumte und wischte die kleinen Tische auf den Zimmern ab. Sie brachte uns auch die Champagnerflaschen im Kübel hinterher, wenn wir vom Zimmer Nachschub bestellten. Sie war eine liebe, nette ältere Frau, und ich weiß noch, dass ich sie sehr gern hatte. Sie nannte uns »ihre Mädchen« und hatte überhaupt keine Probleme damit, dass auch sie im Ort schräg angesehen wurde. Auch für unser leibliches Wohl sorgte sie, machte zwischendurch immer wieder belegte Platten und hatte stets Kopfschmerzmittel und etwas gegen Sodbrennen in der Tasche. Sie tröstete auch, wenn was danebenging, und spornte uns an, wenn wir müde wurden. Ich denke, alle hatten sie gern.
    Leider ist sie mittlerweile verstorben. Irgendeine fiese »Darmkrankheit« riss sie einige Jahre später aus dem Leben. Wenn es ruhig war am Nachmittag, saßen wir oft nur mit zwei oder drei Mädchen bei ihr in der Küche. Sie brachte dann »selbst gebackenen Kuchen« mit, und wir tratschten und tauschten die neuesten News untereinander aus. Wurde ich manchmal erst gegen Mittag wach, servierte sie mir Frühstück und frisch gebrühten Kaffee. Sie war eine echte Seele, und es war ein großer Verlust für uns alle, als sie eines Tages nicht mehr kam. Danach teilten sich zwei chinesische Brüder den Dienst. Auch sie waren nett und sehr höflich. Aber es war eben nicht dasselbe.
    Ich schritt durch den Raum und ließ mich neben dem Chef an der Bar nieder. Er legte den Arm um mich. »Na, Lieschen, alles klar?«, fragte er mich. Und ich erzählte von Joachim und etwas von meinen Sorgen zu Hause. Er bestellte mir einen Kaffee, und so begannen wir uns zu unterhalten. Gearbeitet habe ich in dieser Nacht nicht mehr. Ich saß da und beobachtete die anderen Mädchen. Später würde sicher noch jemand für mich kommen. Ab und zu kam Marion zu uns und setzte sich dazu. Wir waren wie eine große Familie.
DAS ERSTE MAL
    Mein persönlicher Weg in die Sackgasse der käuflichen Liebe begann vielleicht schon im Jahre 1979.
    Ein paar Monate vorher waren meine Mutter, mein Bruder und ich in das Haus des zweiten Mannes meiner Mutter umgezogen. Wir blieben in unserem alten Dorf, sogar in derselben Straße. Sein Häuschen befand sich nur über den Berg, deshalb auch der Name: Berggasse. Es war eine Sackgasse, vorne ging sie rauf, über den Berg wieder runter und endete in einem großen Wendekreisel. Umgezogen sind wir im Winter. Ich erinnere mich, dass ich als Elfjährige meine Puppen mit dem Schlitten über den Hügel zog, um sie in meinem ersten eigenen Zimmer einzusortieren.
    Meine Mutter sah diesem neuen Leben geradezu euphorisch entgegen. Hatte sie meinen Vater vorher abgöttisch geliebt, so war er doch ein dreißig Jahre älterer Mann gewesen, der die letzten Jahre vor seinem Tod meiner Mutter die gesamte Verantwortung in jedem Bereich überlassen musste. Meine lebenslustige Mutter, gesellig und begierig nach einem sorgenfreien Leben, verliebte sich drei Jahre nach seinem Tod in den gleichaltrigen Handwerker aus der Berggasse. Selbst Vater von zwei Kindern und geschieden, bewohnte er die Erdgeschosswohnung des Hauses. Oben gab es eine weitere Wohnung für seine Mutter Rita und ihren Lebenspartner Hans.
    Alles hätte wirklich schön werden können. Ja, wenn ich nicht in diesen Tagen hätte lernen müssen, dass die Prinzessinnenkrone, die mein Vater mir früher immer aufgesetzt hatte, in Wirklichkeit nur ausgedacht war und nach seinem Tod niemand mehr wirklich für mich da war.
    Lieber Papa: Danke für alles! Du warst mir ein guter Vater und Beschützer. († 1974)
    »Bitte vergiss nicht, die Kartoffeln zu holen, Püppchen. Mach’s gut, bis nachher«, ich legte den Hörer auf die Gabel. Das obligatorische Telefonat mit meiner Mutter war beendet. Jeden Nachmittag rief sie mich aus dem Büro zu Hause an. Ich war oft alleine im Haus. Mein Bruder war am Nachmittag meist unterwegs, meine Mutter arbeitete ganztags in einer forstlichen Versuchsanstalt, in der auch mein Stiefvater als Handwerker arbeitete. Beide kamen nie vor 18 Uhr nach Hause und mein Bruder oft erst einige Stunden später. Er war älter als ich.
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