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Das Erbe des Blutes - Roman

Titel: Das Erbe des Blutes - Roman
Autoren: PeP eBooks
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herauszufinden, ob es sich bei diesem Cornelius Tiplady um den Ururgroßvater seiner Klientin handelte. Er wollte prüfen, ob auf der Grabinschrift ein paar Namen vermerkt waren, die in Verbindung zu anderen von ihm bereits ausfindig gemachten Verwandten standen und bestätigten, dass er den richtigen Mann gefunden hatte. Eine poetische Inschrift wäre ein nettes Beiwerk, das er neben den zutage geförderten trockenen genealogischen Informationen liefern könnte - alles, um zu bestätigen, dass er seine Arbeit gut gemacht hatte. Die Leute mussten einfach merken, dass er wieder da war und gute Arbeit leistete. Das Geschäft neu aufzubauen hatte sich als gar nicht so einfach erwiesen.
    Parzelle Nr. 103 lag abseits der gebahnten Wege und, wie befürchtet, in einem ungepflegten Teil des Friedhofs, wo es
jede Menge wild wucherndes Gras, kleine Bäumchen und Flechten gab. Die Gräber abzählend, von denen nur wenig den Witterungseinflüssen entgangen waren, bespritzte er sich seine Schuhe mit Schlamm. Er erreichte die Parzelle 103, nahm die Brille ab und rieb sie kurz am Mantel sauber, setzte sie dann wieder auf und ging in die Hocke.
    Das Grab war nicht weiter bemerkenswert; typisch für die Zeit stand ein flacher grauer Grabstein darauf. Bei der Tiplady-Familie gab es keine Zurschaustellung von Reichtum. Aber wie befürchtet waren die Worte zur Würdigung der vierzig Erdenjahre des Verblichenen im Lauf der Zeit und durch den Verfall unlesbar geworden. Nicht einmal den Namen konnte er erkennen, lediglich ein großes C. Dies tröstete ihn allerdings insofern, als die Bestattungsaufzeichnungen demzufolge ordentlich geführt waren und irgendwo unter seinen Füßen Cornelius, oder was von ihm übrig geblieben war, liegen musste. Behutsam fuhr er mit der Hand über ein paar der Einkerbungen und konnte die weiteren Buchstaben des Namens fast ausmachen, auch wenn sie unsichtbar blieben. Unterhalb des Namens entdeckte er auch noch ein Durcheinander an Buchstaben, obgleich die Widmung kurz zu sein schien. Offenbar eine Familie, die nicht viele Worte machte. Gut.
    Nigel nahm die Tasche von der Schulter, öffnete den Reißverschluss und zog seinen Rasierspiegel hervor. Den hatte er als Student von einem Friseur in der Jermyn Street erstanden. Er erhob sich, stellte sich an den Rand des Grabes, hielt den Spiegel schräg zum Himmel und drehte ihn so, dass jeder Lichtstrahl auf die Vorderseite des Grabsteins projiziert wurde, wobei er versuchte, nicht auf das Nachbargrab zu treten. Dieses Verfahren hatte er früher schon erfolgreich angewandt, indem er sich die Spiegelung der Sonne
zunutze machte, um einen Schatten auf die Inschrift zu werfen und so einen Kontrast herzustellen. Damals hatte er den Sonnenschein als wohltuend empfunden. Heute war es jedoch anders. Schon nach wenigen Sekunden stellte sich heraus, dass seine Bemühungen umsonst waren. Er hatte keine Taschenlampe, um den Effekt der Sonne zu verstärken. Dafür brauchte er Hilfe, aber wochentags am Morgen jemanden auf den Friedhof zu schleppen war alles andere als leicht. Glücklicherweise kannte er noch eine andere, weniger subtile Methode.
    Er steckte den Spiegel zurück und blickte sich verstohlen um. Was er vorhatte, war nicht nur in Ahnenforscherkreisen verpönt, sondern ein Delikt, das einer Verunstaltung von Dokumenten und dem Fingerlecken vor dem Aufschlagen eines alten Manuskripts gleichkam. In der konservativen Welt der Familienforschung, für die der Erhalt der Dokumente an erster Stelle stand, war das gleichbedeutend mit einer Grabschändung, einem Thema, über das in Internetforen, die sich mit Ahnenforschung beschäftigten, eine hitzige Debatte entbrannt war.
    Nigel fuhr sich mit der Hand durch die schwarze Haarmähne und schob dabei seinen über den Augenbrauen hängenden Pony nach hinten. Noch immer war niemand zu sehen. Scheiß drauf, dachte er, der alte Cornelius wird sich nicht beklagen und von seiner Familie auch niemand. Es kam ihm in den Sinn, dass er genau dort stand, wo Cornelius’ Witwe und Kinder seinen Tod betrauert haben mussten, aber es gelang ihm, diesen Gedanken wieder auszublenden. Saurer Regen,Vogelkot und Flechten hatten dem Grab allesamt mehr Schaden zugefügt, als die Substanz es tun würde, die er jetzt benutzen wollte. Er hatte nicht das Material, um einen Abdruck der Inschrift anzufertigen. Stattdessen
holte er eine Dose Rasierschaum und einen Gummiwischer aus der Tasche.
    Er schüttelte die Dose und sprühte mehrere Lagen Schaum über
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