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Das Erbe des Atoms

Das Erbe des Atoms

Titel: Das Erbe des Atoms
Autoren: A. E. van Vogt
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glücklichen Erinnerungen und einer stillen Freude, daß aus einem einfachen Gelehrten aus der Provinz innerhalb von nur zehn Jahren der Chefgelehrte am Raheinl-Tempel geworden war.
    Es gab nur einen winzigen Schönheitsfehler in diesen Erinnerungen, und das war der wirkliche Grund für seinen raschen Aufstieg. Vor mehr als elf Jahren hatte er einem anderen angehenden Gelehrten gegenüber bemerkt, daß, nachdem die Götter des Atoms den Menschen gewisse Geheimnisse über Energie und mechanische Kraft enthüllt hatten, es lohnend sein könnte, sie durch experimentelle Methoden zu weiteren Enthüllungen zu überreden. Und daß etwas Wahres an den vagen Legenden über Städte und Planeten sein könne, die im Licht atomarer Energie gefunkelt hätten. Alden erschauerte bei der kurzen Erinnerung unwillkürlich. Erst allmählich hatte er damals das Ausmaß seiner Blasphemie erkannt. Und als der andere junge Mann ihn am folgenden Tag kühl informiert hatte, daß er das Gespräch dem Chef gelehrten mitgeteilt habe – da hatte er das Ende all seiner Hoffnungen nahe geglaubt.
    Überraschenderweise war es der Beginn einer neuen Phase in seiner Karriere gewesen. Noch im gleichen Monat war er von einem besuchenden Gelehrten, Joquin, zu einem privaten Gespräch eingeladen worden. Es war eine große Ehre gewesen, denn Joquin lebte im Palast der Linns. »Es ist unsere Politik«, hatte Joquin gesagt, »junge Männer zu ermutigen, deren Gedanken sich nicht völlig in vorgezeichneten Bahnen bewegen. Wir wissen, daß junge Menschen zu radikalen Ideen neigen und daß der Mensch erst im Älterwerden ein Gleichgewicht zwischen seinem inneren Selbst und den Anforderungen der Welt erreicht. Mit anderen Worten«, hatte der Gelehrte lächelnd geendet, »denken Sie weiter, aber behalten Sie Ihre Gedanken für sich.«
    Bald darauf war Alden zur Ostküste versetzt worden. Von dort kam er ein Jahr später in die Hauptstadt. Als er älter wurde und mehr Macht und Einfluß in der Hierarchie gewann, entdeckte er, daß Radikalismus unter den jungen Männern viel seltener war, als Joquin angedeutet hatte. Die Jahre des Aufstiegs machten ihm auch bewußt, wie einfältig er selbst in jüngeren Jahren gedacht hatte. Doch zugleich fühlte er einen gewissen Stolz, ein Gefühl, daß seine unorthodoxen Gedanken ihn von den anderen Gelehrten unterschieden und ihnen überlegen machten. Als Chef entdeckte er, daß Radikalismus der einzige Maßstab war, mit dem die älteren Vorgesetzten einen Kandidaten beurteilten, dessen Beförderung zur Debatte stand.
    Sein Gedankengang endete, denn ein Stück voraus war eine Menschenmenge, und Alden hörte Ausrufe und erregtes Geschrei. Das Ganze machte einen nichts Gutes verheißenden Eindruck. Er sah, daß Menschen den Raheinl-Tempel umschwärmten. Ein Unfall? dachte er. Er eilte weiter, drängte sich durch den äußeren Randbereich der Menge. Er verspürte plötzlich Zorn über die Art und Weise, wie verschiedene Neugierige ihm in den Weg zu treten schienen. Sahen sie nicht, daß er ein Chefgelehrter war? Er sah berittene Palastwächter einige Dutzend Schritte entfernt am Rand der Ansammlung, und er war bereit, sie zu Hilfe zu rufen, als er etwas sah, das die Worte in seiner Kehle steckenbleiben ließ. Seine Aufmerksamkeit war auf den Tempel selbst gerichtet gewesen. Nun ging sein Blick in dem Bemühen, durch die Menge voranzukommen, über die benachbarten Anlagen.
    Am Rand des Tempelbezirks hingen fünf junge Tempelschüler von einem Ast. Ein älterer Baum in der Nähe trug sechs Assistenten und drei Gelehrte an seinen Ästen; einige der Unglücklichen zuckten noch. Als Alden wie gelähmt auf einem Fleck stand und starrte, kam ein schreckliches Kreischen von vier weiteren Tempelschülern, denen gerade Hanfschlingen um die Hälse gelegt wurden. Die Schreie endeten, als der Pferdewagen, auf dem sie standen, unter ihnen weggezogen wurde.
    Alden wankte mit zittrigen Beinen durch die Menge vor dem Raheinl-Tempel. Er stieß andere an und taumelte wie ein Betrunkener, doch war er sich dessen nur undeutlich bewußt. Wäre er der einzige gewesen, der so reagierte, hätte man ihn sofort bemerkt und zu seinen Gefährten vom Tempel geschleppt. Aber die brutale Exekution hatte die Menge unvorbereitet getroffen. Jeder neue Passant, der angelegentlich näher schlenderte, um zu sehen, was vorging, erlitt seinen mehr oder weniger ausgeprägten Schock. Frauen wurden ohnmächtig. Mehrere Männer übergaben sich, und andere standen mit
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