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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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Reisemantel. Wie Gerlin erwartet hatte, war es empfindlich kalt, und Sophia dankte Miriam im Stillen zum hundertsten Mal für den dicken Tuchmantel, der nicht nur ihre Formen verhüllte, sondern sie obendrein warm hielt.
    Luitgart besaß keinen warmen Mantel – sie ritt fast nie aus, und Gerlin wunderte sich, warum sie sich jetzt der Gesellschaft anschloss. Aber andererseits hätte sie kaum allein im Saal mit den verbleibenden Rittern zechen können. Conrad von Neuenwalde und seine junge Frau erstiegen schließlich auch ihre Pferde – wobei Clara die Einzige außer dem Bischof war, die wirklich Enthusiasmus zeigte. Wahrscheinlich wollte sie sich längst die Burg ansehen, in der ihr Mann so lange mit seinen Rittern verharrt hatte, statt ihr Bett zu teilen.
    Der Bischof, nur von zweien seiner Ritter begleitet, ließ während des kurzen Rittes vergnügt eine Branntweinkaraffe kreisen.
    »Hab ich selbst erobert!« Er lachte. »Euer Mundschenk hatte mir nichts entgegenzusetzen.«
    »Wenn er so weitermacht, fällt er auf dem Rückweg vom Pferd«, wisperte Gerlin ihrem Sohn zu. »Sieh bloß zu, dass wir das schnell hinter uns bringen.«
    Der Ritt hinauf zur Trutzburg dauerte nur wenige Minuten – selbst, wenn man es nicht eilig hatte. Rüdiger erklärte dem Bischof, dass sich die Entfernung zur belagerten Burg nach der Reichweite des Katapults richte.
    »Ihr werdet unseres gleich sehen, es ist ein sehr hohes – auch dank Eurer großzügigen Unterstützung, Hochwürdigster Herr! So gewaltige Kriegsmaschinen schleudern die Geschosse über drei Pfeilschussweiten. Wir selbst waren also weit außerhalb der Gefahrenzone, die Verteidiger konnten uns mit ihren Pfeilen nicht erreichen.«
    Der Bischof lauschte interessiert.
    »Hoffentlich will er das Ding nicht gleich noch abschießen«, raunte Gerlin. Sie hatte ihre Stute zurückfallen lassen und ritt neben Sirene. Dabei hätte sie den Ausflug fast genießen können. Die Nacht war wirklich mondhell und sternenklar … ihr Herz klopfte heftig, als sie an eine ähnliche in Paris dachte. Damals, als Salomon gemeint hatte, Gottes Lächeln zu spüren.
    Gerlin spürte in dieser Nacht Salomons Lächeln. Es fiel ihr immer schwerer, ihm böse zu sein, obwohl sie ihm kaum verzeihen konnte, sie und Florís so viele Jahre in Unwissenheit über sein Schicksal gelassen zu haben, und dann auch noch wie ein Geist auf Lauenstein erschienen zu sein.
    »Wenn die Herren uns das Tor öffnen würden«, wandte sich Dietmar schließlich an die Eskorte des Bischofs.
    Man brauchte zwei, besser drei kräftige Männer, um den Zugmechanismus zu betätigen, Rüdigers linke Hand mochte noch nicht stark genug dazu sein. Conrad von Neuenwalde ließ es sich allerdings nicht nehmen, abzusteigen und die Ritter einzuweisen. Galant führte er dann das Pferd seiner Gattin auf den Burghof.
    Nachdem alle abgestiegen waren, verlief sich die Gesellschaft rasch. Der Bischof wollte das Katapult sehen, Clara ließ sich die Schlafräume der Ritter zeigen – und Sophia übernahm Hausfrauenpflichten und wies den Mundschenk und ein paar Knechte ein, die Gerlin mit einem Sortiment von wärmenden Getränken, Fackeln und Brennholz mit auf die Burg befohlen hatte. Die Männer entzündeten im etwas abseits gelegenen Küchenhaus ein Feuer, auf dem sie Wein erhitzten sowie eine stärkende Suppe.
    »Wir haben zwar alle genug gegessen, aber dem Bischof und noch ein paar anderen Freunden des Weins sollte es helfen, vor dem Heimritt wieder nüchtern zu werden«, meinte Gerlin mit einem Seitenblick auf Luitgart, die gleich den ersten Becher Würzwein in Empfang nahm.
    Und dann hörte man plötzlich Schwerterrasseln und Gelächter. Die Ritter des Bischofs trieben feixend zwei schreiende junge Männer und Frauen über den Wehrgang der Burg. Alle vier waren nackt und versuchten verzweifelt, sich auf der Flucht rasch zu bedecken.
    »Unsere romantisch gestimmten Einbrecher …«, bemerkte Rüdiger zu Geneviève und rieb sich die Stirn. »Bei Vollmond war das wohl zu erwarten. Ich muss mich da mal einmischen, Liebste, nicht dass die Ritter sie umbringen.«
    Er lief den flüchtenden Eindringlingen rasch entgegen, die nun allerdings auch schon von Dietmar und Herrn Conrad gestellt wurden. Die jungen Männer blickten völlig verängstigt, die Mädchen weinten und klammerten sich unter den amüsiert lüsternen Blicken der bischöflichen Eskorte aneinander.
    »Was um Himmels willen macht ihr hier? Und bedeckt euch erst mal, ihr müsst euch ja zu
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