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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin
Autoren: Ricarda Jordan
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nach einer Entgegnung – während der Bischof das Ganze mit einem Lächeln abtat.
    »Nun, nun, Frau Luitgart, wo seht Ihr hier denn Hexenkunst? Wobei ich zugeben muss: In einer solchen Schönheit wie der der Herrin Geneviève mögen bösartige Neider die versuchende Hand des Teufels vermuten.« Er zwinkerte Geneviève zu. »Aber ich sehe sie lieber als das Geschenk unseres gnädigen Gottes zur Freude unser aller Augen und bestimmt zur tugendhaften Gattin eines christlichen Ritters.«
    Der Bischof hob das Glas auf Rüdiger und seine junge Frau – wobei Rüdiger ihm freundlich Genüge tat. Niemandem fiel auf, dass Geneviève ihren Becher nur mit Wasser füllte.
    Das Bankett zog sich einige Zeit hin – Gerlin hatte auffahren lassen, was Küche und Keller hergaben, und der Bischof sprach dem Wein freudig zu. Dabei plauderte er charmant mit den Damen, kam aber mit zunehmender Trunkenheit auch immer wieder auf das Thema Belagerung von Lauenstein zurück.
    »Wie lebt es sich denn in einer solchen Trutzburg? Dort auf dem Berg wie ein Adler in seinem Horst. Beseelt einen da nicht die Macht und Stärke eines Raubvogels? Schaut man bei Nacht nicht stolz über sein Reich?«
    Rüdiger unterdrückte ein Stöhnen. Er hatte die Nächte in den Gemeinschaftsunterkünften unbequem und die Wachdienste ermüdend gefunden. Ganz abgesehen davon, dass man natürlich nicht über sein Reich blickte, sondern höchstens über eine Region, die man zu erobern gedachte. Dietmar ging es ähnlich, aber immerhin hatte er von Sophia träumen können, die er nah bei sich in der Burg wähnte.
    So blieb die Antwort letztendlich an Gerlin hängen. »Es gab wundervolle Nächte«, bestätigte sie den Bischof. »Sternklare Nächte, in denen man sich dem Himmel nah fühlte … einmal regneten Sternschnuppen auf uns herab, als wolle Gott uns zeigen, dass er bei uns ist. Vollmondnächte wie diese …«
    »Ja, tatsächlich …« Der Bischof leerte seinen Becher. »Heute ist eine solche Nacht.« Er freute sich wie ein kleiner Junge. »Herr Dietmar, ich hätte nicht übel Lust, diese Trutzburg jetzt noch zu inspizieren. Was meint Ihr? Erleben wir ein Abenteuer? Lassen wir doch ein paar Pferde satteln, reiten wir hinüber, und spielen wir Belagerung!«
    Sophia runzelte die Stirn und wechselte Blicke mit ihrem Verlobten und Gerlin. Eigentlich hatte Dietmar die Tafel gleich aufheben und ihre Hochzeit ankündigen wollen. Jetzt verzogen die beiden Lauensteiner unglücklich das Gesicht. Es war gänzlich unmöglich, dem Bischof seinen Wunsch abzuschlagen!
    »Es dauert ja nicht länger als eine Stunde«, raunte Dietmar ihr tröstend zu. »Dann können wir immer noch die Ritter zusammenrufen. Ich zeige ihm jetzt schnell diesen Holzkasten …«
    »Oh, Herr Dietmar, es lag natürlich nicht in meiner Absicht, Euch von Eurer Dame zu trennen«, lachte der Bischof jovial. »Ich dachte doch, die Damen begleiten uns! Eine Vollmondnacht mit einer so schönen Frau an meiner Seite …«
    Er schien nicht zu wissen, ob er Geneviève oder Sophia dabei verheißungsvoll zuzwinkern sollte, traf dann aber nur die Blicke von Gerlin und Luitgart.
    Dietmar sah die Hoffnung auf baldige Rückkehr schwinden, wies den Mundschenk aber nichtsdestotrotz an, auch die Zelter der Frauen satteln zu lassen.
    »Und Ihr, Medikus?«, fragte er kurz.
    Salomon hatte während des gesamten Abends geschwiegen und nur wenig gegessen und getrunken. Er schien jedoch zufrieden zu sein, hier mit den Lauensteinern zu tafeln, vielleicht hing er auch den Gedanken an andere Festessen viele Jahre zuvor nach. Gelegentlich traf Gerlin ein Blick seiner grünbraunen Augen, sanft und bewundernd, aber es geschah so dezent, dass es niemandem auffiel. Lediglich sie schien ihn zu spüren wie eine Berührung. Auch jetzt trafen sich ihre Blicke.
    »Ich will dich gern begleiten, Dietmar«, sagte Salomon freundlich gelassen. »Sofern die Herrin Gerlin mich dazu einlädt.«
    Gerlin antwortete zögernd. »Hier hättet Ihr es bequemer«, wandte sie ein.
    Sie sorgte sich um ihn, seit sie seiner Behinderung gewahr geworden war. Ein nächtlicher Ritt durch die kühle Frühlingsnacht würde ihm weder guttun noch gefallen.
    Salomon deutete eine Verbeugung an. »Ich sagte Euch bereits«, erklärte er. »Mir steht nicht der Sinn nach Bequemlichkeit. Und ich ziehe meine Kraft aus Eurem Anblick …«
    Gerlin seufzte. »Ihr seid immer willkommen«, bemerkte sie.
    Kurze Zeit später hüllte sich der Bischof im Burghof in einen schweren, warmen
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