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Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)

Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)

Titel: Das Ende des Zufalls - Wie Big Data uns und unser Leben vorhersagbar macht (German Edition)
Autoren: Rudi Klausnitzer
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Wahrnehmung taugt. Ganz im Sinn der ökonomischen Verwendung unserer freien Energie und vor allem auch im Sinn unseres Dopamin-Systems, das nach Übereinstimmung mit dem Erwarteten sucht. 9
    Internet, Google, Social Media – sie alle haben diese dopamingetriebene Informations- und Interaktionssucht 10 noch verstärkt. Man schickt eine Nachricht und in wenigen Sekunden ist die Reaktion da. Man sucht eine Information und bevor man noch fertig getippt hat, blinkt schon die Antwort auf. Belohnung in Echtzeit. Es ist ein Kreislauf, der sich schwer stoppen lässt. Viele Menschen haben inzwischen ihr Smartphone oder iPad 24 Stunden in der Hand, weil sie sich nicht aus diesem Dopamin-Kreislauf befreien können. Das ist auch der Grund, warum gamifizierte Information – also Informationsvermittlung, die Spielmechanismen inkludiert – noch wirkungsvoller ist. Durch die Spielmechanismen wird die Dopamin-Ausschüttung noch besser angeregt. 11
    Jener Mechanismus, Geschäftsgrundlage für die gesamte Medienwelt, konfrontiert uns aber auch mit einem Problem, das wir schon von einem anderen Sektor kennen. Wir kaufen mehr Nahrung und essen mehr, als uns guttut. Unsere Kühlschränke sind übervoll, aber wir kaufen trotzdem weiter ein. Unser Belohnungssystem für das Auffinden und Verwerten von Nahrung stammt aus einer Zeit, in der diese Fähigkeit für die überwiegende Zahl unserer Artgenossen eine wirkliche Überlebensfrage war. Das führt in einer geänderten Ernährungssituation zwangsläufig zu Fehlverhalten. Die Umwelt hat sich geändert und schon längst sollte ein anderer Selektionsprozess durch die hormonalen Botenstoffe gefördert werden. Einer, der nicht auf die Quantität der Nahrung, sondern auf deren Sinnhaftigkeit für unseren Körper ausgerichtet ist. In der Urzeit haben wir überlebt, wenn wir möglichst viel von der knapp verfügbaren Nahrung erjagen konnten. Heute überleben wir, wenn es uns gelingt, möglichst nur den notwendigen Teil der im Überfluss verfügbaren und uns immer wieder aufgedrängten Nahrung aufzunehmen.
    Eine ähnliche Problematik haben wir nun mit unserem Informationsverhalten. Anders als bei der Ernährung wird das aber noch zu wenig thematisiert. Kennen Sie Menschen, die eine Informationsdiät machen? Oder sich fragen, welche Informationen für sie gesund sind? Wir sind darauf programmiert, Informationen zu suchen und möglichst viele davon zu speichern, weil, wie schon gesagt, unser Gehirn diese Daten für seine Vorhersagearbeit benötigt. Und diese Informationen waren ursprünglich knapp, schwer zu bekommen, aber wichtig, um die Vorhersagebilder für die existenziellen Fragen „Wo gibt es Nahrung? Wo lauert der Feind? Wo gibt es Paarungspartner zur Fortpflanzung?“ entwickeln zu können. Lange Zeit trainierte uns die Evolution darauf, besonders interessiert an Information zu sein. Und dann, ganz plötzlich, in Menschheitsgeschichte-Sekunden, war alles anders: Information ist nicht mehr knapp, ganz im Gegenteil. Über immer mehr Kanäle wird sie uns immer intensiver vermittelt. Wobei das Wort „vermittelt“ eine krasse Untertreibung ist – „aufgedrängt“ wäre besser. Die Menge an Daten, die in jeder Sekunde auf uns einströmt, wächst exponentiell, und unser menschliches Aufnahme- und Verarbeitungssystem kann nicht mithalten. Wie viele Bilder kann unser Gehirn in seiner Memory-Kartei speichern und was geschieht mit der Vorhersagefähigkeit unseres Gehirns, wenn zu viele und zu divergierende Bilder zur Verfügung stehen? Welche Auswirkungen hat diese Überlastung? Darauf haben wir noch keine gesicherten Antworten. Statt in einer Aufnahmesituation befinden wir uns plötzlich in einer Abwehrposition. Aus Informationsjägern sind Gejagte geworden, die es kaum mehr schaffen, die Eingangs-Boxen ihrer E-Mail- und Social-Media-Kontakte zu leeren. Wir haben noch nicht gelernt, mit der Datenlawine, die jeden Tag auf uns zurollt, richtig umzugehen. Das Ausmaß der Datenrevolution macht dies auch unmöglich. Bei allem Glauben an die Adaptionsfähigkeit unseres Gehirns, mit dem exponentiellen Wachstum der Datenflut kann es nicht Schritt halten.
    Die technologische Entwicklung unserer Welt nimmt auf das schwächste Glied in der Kette, den Menschen und dessen Taktung, keine Rücksicht. Kann sie auch nicht, denn sonst wäre unsere Entwicklungsgeschichte anders verlaufen. Wir haben uns im Drang der Weiterentwicklung immer Techniken bedient, die unsere Schwächen ausgeglichen oder unsere Stärken
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