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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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Notenbanken sollten gezwungen sein, zu intervenieren, um ihre Währungen im Raster zu halten. Nach zwei Jahren sollte ein Europäischer Währungsfonds gegründet werden, der die zusammengefassten Reserven der Mitglieder verteilen sollte. Zu einem nicht genau angegebenen künftigen Zeitpunkt sollte der Übergang zur Währungsunion stattfinden.
    Im weiteren Verlauf wurde es für die deutsche Regierung dringender, dass eine Einigung erzielt wurde, denn die Carter-Administration übte Druck auf sie aus, die Nachfrage zu steigern und den Außenhandelsüberschuss Deutschlands zu senken. In einem Land, das etwas gegen Inf lation hat, war dieser Druck nicht willkommen. Schmidt mochte Carter sowieso nicht besonders, denn dessen leutselige Ungezwungenheit kam bei einem Kanzler, der es nicht gewohnt war, mit seinem Vornamen angesprochen zu werden, nicht gut an. Jetzt mochte er ihn noch weniger.
    Schmidts und Giscards Vorschläge waren zwar nicht unbedingt nach dem Geschmack der britischen Regierung, aber nachdem sie auf Clappiers und Schulmanns Ambitionen damit reagiert hatte, dass sie deren Sitzungen boykottierte, hätte sie das Ergebnis eigentlich nicht überraschen dürfen. Da dieser Zug abgefahren war, strebten die Briten jetzt an, die Verpflichtung zur Teilnahme aufzuschieben. Schmidt und Giscard stimmten dem gern zu, wenn es der Preis dafür war, überhaupt voranzukommen.
    Auch der Bundesbank gefielen diese Vorschläge nicht. Ein Auslösungsmechanismus, der die Bundesbank zur Ausweitung der Geldmenge zwingen würde, würde ihre Fähigkeit zur Inflationsbekämpfung einschränken. Wenn sie gezwungen wäre, zur Stützung schwacher Währungen zu intervenieren, könnte sie sich an der leichtsinnigen Politik anderer Länder mitschuldig machen. Eine Zusammenlegung der Reserven würde ihre im Bundesbankgesetz verankerte Unabhängigkeit gefährden. Emminger war kein Freund des Plans, der auf ihn losgelassen wurde, und startete einen letzten verzweifelten Gegenangriff. Aber Schmidt war leidenschaftlich von der europäischen Integration überzeugt. Er hatte im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront gekämpft und war 1945 drei Monate lang in britischer Kriegsgefangenschaft gewesen. Er reagierte darauf mit dem ersten persönlichen Besuch eines bundesdeutschen Regierungschefs bei der für ihre Unabhängigkeit berühmten Zentralbank und einer emotionalen Rede vor dem Zentralbankrat. Darin beschwor er Auschwitz und den Krieg herauf und bezeichnete die neue Vereinbarung als Schlussstein der Versöhnung nach dem Krieg.
    Die Ratsmitglieder konnte das wohl kaum ungerührt lassen. Was sie jedoch tun konnten, war, Zugeständnisse zu verlangen. Sie bestanden darauf, dass der Auslösungsmechanismus aufgegeben wurde. Sie duldeten keine Diskussion mehr über die Zusammenfassung von Reserven. Sie ließen keine Diskussionen darüber zu, dass ein Währungskorb die D-Mark als Dreh- und Angelpunkt des Systems ersetzen könnte. Sie bestanden darauf, dass nicht mehr von einer Währungsunion gesprochen wurde. Sie verlangten eine Rücktrittsmöglichkeit von der Verpflichtung zur unbegrenzten Intervention. 124
    In den entscheidenden Punkten gab die Regierung nach. Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff bestätigte das vor dem Bundestag: „Die Bundesbank hat die Verantwortung, zu intervenieren, und die Möglichkeit, dann nicht zu intervenieren, wenn sie der Meinung ist, sie sei dazu nicht in der Lage.“ 125
    Es ist unwahrscheinlich, dass Kanzler Schmidt darüber traurig war. So konnte er sich nämlich gegen die radikaleren Vorschläge Frankreichs wehren und den Franzosen sagen, er persönlich sei zwar dafür, aber die Bundesbank hindere ihn am Handeln.
    DAS INSTABILE EWS
    Und so trat das Europäische Währungssystem (EWS) ohne Auslösungsmechanismus und ohne eindeutige Interventionsverpflichtung in Kraft. Sein Kernelement, der Wechselkursmechanismus (WKM), ähnelte der Währungsschlange mehr, als seine Gründer zugeben mochten. Der Hauptunterschied: Wenn Wettbewerbsprobleme auftraten, passten die Länder ihre Kurse jetzt innerhalb des Mechanismus an, anstatt ihn aufzugeben. Das erste derartige „Realignment“, wie diese Anpassungen geschönt genannt wurden, fand im September 1979 statt, also kaum sechs Monate nach Beginn des Systems. Damals wurden andere Währungen gegenüber der D-Mark um zwei Prozent abgewertet. 126 In den vier Jahren danach gab es fünf weitere Realignments, deren dramatischste weitere Abwertungen des Francs in den Jahren 1981, 1982 und
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