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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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herrschenden Wechselkurse gesetzt hatte, konnte sie als eine ihrer ersten Amtshandlungen problemlos eine Abwertung vornehmen. Das gefiel zwar der deutschen Exportwirtschaft nicht, aber schließlich kann man es ja nicht allen recht machen. Sie gab den Franzosen die Schuld daran, dass sie diese bittere Medizin schlucken musste. Die deutsch-französische Allianz im Herzen Europas wies Anzeichen dafür auf, dass sie aus dem Leim ging.
    In Brandts Augen stand ein solcher Bruch unmittelbar bevor und er tat etwas, um das zu reparieren. Sein Instrument der Wahl war ein Währungsabkommen, das weitere Währungsprobleme verhindern sollte. Allerdings musste Brandt mehrere Widerstände überwinden, um seinen Plan durchzusetzen. Die Bundesbank, die sich als Hüterin der Preisstabilität betrachtete, sah in der Kooperation mit Frankreich eine Bedrohung ihrer Fähigkeit, die Inflation zu bekämpfen. Das Außenministerium warnte, eine engere europäische Zusammenarbeit könnte das Engagement für die transatlantische
    Währungskooperation schwächen. 109 Die Auffassung, Deutschland sollte den gehorsamen Verbündeten spielen, war nach wie vor sehr lebendig. Aber nachdem 1968 Nixon zum Präsidenten gewählt worden war und nachdem seine Regierung eine zunehmend einseitige Politik betrieb, waren Argumente für eine Kooperation mit den Amerikanern schwerer zu finden. Die Argumente für eine Intensivierung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wurden stärker. Auch war der Franzose auf der Straße nicht unbedingt begeistert davon, dass der Franc aufgegeben wurde. Die Abwertung war peinlich, die nationale Souveränität war ein geschätztes Ideal und der Franc war ein mächtiges Symbol dafür. Stabilitätsorientierte Politiker wie Valéry Giscard d’Estaing, der von 1962 bis 1966 unter de Gaulle sowie von 1969 bis 1974 unter Pompidou Wirtschaftsminister war, sahen indes, dass eine Kooperation mit Deutschland die französische Währungspolitik von der Innenpolitik befreien würde. Sie sahen das gewissermaßen als Import der deutschen Stabilitätskultur. Außerdem erachtete Giscard eine gemeinsame europäische Währung als unentbehrlich für die Sicherung der europäischen Agrarpolitik, die den französischen Bauern erhebliche Vorteile brachte, und sie stellte seines Erachtens eine ausgewachsene Konkurrenz zum Dollar dar. 110
    Pompidou dachte mit dem typisch französischen Selbstbewusstsein, wenn Brandts Initiative irgendwann in einer einzigen europäischen Währung resultierte, würde Frankreich sie kontrollieren. Er sah den Status quo so, dass Frankreich zwischen einem verantwortungslosen und immer mächtigen Deutschland auf der einen Seite und ebenso verantwortungslosen sowie immer noch mächtigen Vereinigten Staaten auf der anderen Seite eingeklemmt war. Als Pompidou auf dem Europagipfel im Dezember 1969, auf dem Brandt seinen Vorschlag zur Währungsintegration vorlegte, feststellte, Die Gemeinschaft müsse „ihr Schicksal in die Hand nehmen“, spielte er eigentlich auf die Notwendigkeit an, dass Frankreich sein eigenes Schicksal und insbesondere das Schicksal seiner Währung wieder in den Griff bekommen müsse. 111
    Ob diese eigenartige Koalition eine Einigung über eine gemeinsame Währung würde erzielen können, war sehr zu bezweifeln. Und im Zweifelsfall bildet man einen Ausschuss. Und so ging aus dem Gipfel ein Ausschuss von Politikern unter dem Vorsitz des luxemburgischen Premierministers Pierre Werner hervor. Luxemburg war zwar nicht die naheliegendste Wahl, aber Werner hatte Bankerfahrung. Er war 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods gewesen. Er hatte einen makellosen Ruf, weil er während der deutschen Besetzung die Résistance unterstützt hatte. Er war ein effektiver Politiker und ein eifriger Verfechter der europäischen Integration.
    Laut dem Bericht der Werner-Kommission, der im Oktober 1970 veröffentlicht wurde, war die unwiderrufliche Koppelung der Wechselkurse unentbehrlich für die Bewahrung des gemeinsamen Marktes und um Europa vor destabilisierenden Währungsimpulsen aus den Vereinigten Staaten abzuschirmen. Er schlug ein europaweites System von Notenbanken vor, das dem Federal Reserve System ähneln würde. Er betonte die Notwendigkeit, die nationalen Haushalte der Teilnehmerländer an der Währungsunion zu koordinieren. Und er wies darauf hin, es sei ein System zwischenstaatlicher Transfers zu wünschen, das schwachen Ländern helfen würde – ähnlich wie das System der Bundessteuern und der
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