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Das Ende des Dollar-Privilegs

Das Ende des Dollar-Privilegs

Titel: Das Ende des Dollar-Privilegs
Autoren: Barry Eichengreen
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Währung mit dem Todeskampf von Bretton Woods zusammenfielen.
    VERSUCHSBALLONS
    Weniger vorhersehbar war es, dass die Initiative vom deutschen Kanzler Willy Brandt ausging. Brandt wurde als uneheliches Kind einer Verkäuferin von seinem Großvater mütterlicherseits aufgezogen, der Lastwagenfahrer und glühender Sozialist war. Er übernahm die politischen Ansichten seines Großvaters und trat in die Sozialistische Arbeiterjugend (SAJ) sowie in die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) ein. Neben den politischen Aktivitäten arbeitete er bei einer Reederei und Spedition. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten waren junge Sozialisten in Deutschland nicht mehr gut gelitten und Brandt nutzte seine Verbindungen zur Seefahrt, um sich nach Norwegen abzusetzen. Als ihn die deutschen Behörden 1938 ausbürgerten, beantragte er die norwegische Staatsbürgerschaft. Und so kehrte Brandt 1946 makellos nach Berlin zurück und konnte den Verlockungen der Politik nicht lange widerstehen. Im Jahr 1949 trat er in den Dienst des Westberliner Oberbürgermeisters und 1957 wurde er selbst zum Oberbürgermeister gewählt. Dieses Amt war sein Sprungbrett in die Bundespolitik. Er war ab 1964 Vorsitzender der SPD, ab 1966 Außenminister der großen Koalition aus CDU und SPD und von 1969 bis 1974 Bundeskanzler.
    Brandt machte sich weniger Sorgen um Währungsangelegenheiten als darum, Ordnung in die Beziehungen zum Ostblock zu bringen. Er hatte sich betrogen gefühlt, als die Vereinigten Staaten 1961 nichts gegen den Bau der Berliner Mauer getan hatten. Er kam daher zu dem Schluss, Deutschlands Schicksal würde von den Deutschen selbst entschieden werden, und ein entscheidender Aspekt dessen war die Verbesserung der Beziehungen zu den Ostblockländern und der UdSSR. Brandts große Leistung als Kanzler bestand darin, dass er Nichtangriffsverträge mit Polen und der Sowjetunion aushandelte und dass er diplomatische Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik einrichtete.
    Die Wirtschaft hingegen war nicht sein Ding. Aber Brandt hatte 1968 als Außenminister einen Logenplatz, als die Probleme des Dollars Spannungen in Europa entfachten. Befürchtungen, die Vereinigten Staaten könnten ihn abwerten, verursachten eine Flutwelle von Kapitalflüssen nach Deutschland. Dieser Zustrom trieb die D-Mark nach oben. Dies warf zusätzliche Fragen hinsichtlich des Fra ncs auf. Angesichts verbreiteter Demonstrationen („Mai-Ereignisse“) und der Tatsache, dass die Regierung de Gaulle auf dem letzten Loch pfiff, stand dessen Gesundheit ohnehin in Zweifel. Der General mochte zwar seine besten Zeiten hinter sich haben, aber er widerstand dem Abwertungsdruck, weil er das als peinliches Eingeständnis der Niederlage betrachtete – und das jetzt umso mehr, als er den Amerikanern gern Vorträge über die Dollarschwäche hielt. Den Gedanken, er könne zur Abwertung gezwungen werden, tat de Gaulle als „Absurdität schlimmster Sorte“ ab. Wenn das Problem gelöst werden musste, so beharrte er, musste die Lösung von Deutschland kommen.
    Aber die deutsche Regierung in Gestalt von Wirtschaftsminister Karl Schiller und Finanzminister Franz Josef Strauß verweigerte eine Abwertung unnachgiebig, weil sie die Beschädigung der deutschen Exporte fürchtete. Schiller und Strauß standen mit ihrer Reputation dafür ein, den aktuellen Dollarkurs aufrechtzuerhalten. Auf einem zerstrittenen Gipfel von Industrieländern in Bonn im November 1968 wurde der Beschluss gefasst, nichts zu entscheiden. De Gaulle verordnete Kurskontrollen, wodurch er sich zwar Zeit erkaufte, aber nichts für eine Lösung des Problems tat.
    Die Blockade wurde erst durchbrochen, als Mitte 1969 Georges Pompidou die Nachfolge de Gaulles antrat. Pompidou war pragmatischer als sein Vorgänger. Dem Namen nach war er zwar Gaullist, aber trotzdem konnte er die Schuld dafür, dass er den Franc abwerten musste, dem General in die Schuhe schieben. Im August, als der größte Teil der Franzosen in Urlaub war – nicht nur die Politiker und Finanziers, sondern auch die Journalisten –, schritt er zur Tat und nahm flugs eine Abwertung vor.
    Zwischenzeitlich hatten die Kapitalzuflüsse allerdings auch in Deutschland die Inflationsangst geschürt. Dies wurde im September 1969 zum zentralen Wahlkampfthema und brachte die Koalition aus Sozialdemokraten und Freien Demokraten unter Willy Brandt an die Macht. Da die neue Regierung Brandt ihre Reputation nicht auf die Beibehaltung der
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