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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
Autoren: Megan Abbott
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den Zähnen schmerzt, auch nur hinzusehen.
    »Tut das weh?«, frage ich, und Schwester Stang sieht mich irritiert an. Sie hält einen großen Eisbeutel an Evies linkes Auge.
    »Von denen hat man nur ein Paar«, sagt sie und stupst Evie genau zwischen die Augen. »Was ist denn das für ein Mädchen, das einem anderen einfach eins mit dem Schläger überzieht?«
    »Das war ihre Schwester«, sage ich und lächle Evie vorsichtig an, unter Schwester Stangs erhobenem Arm hindurch.
    »Ich war vorm Tor«, sagt Evie, ihr Auge tränt. »Sie konnte nicht anders.«
    Dusty hatte uns ihre Tricks gezeigt. Der Star der Highschool, die güldene Göttin der Green Hollow Celts, bereitete uns auf unser erstes Probespiel im August vor. Sie zupfte an unseren zweigdünnen Ärmchen und sagte: Ihr beiden Papierpüppchen habt Jahre mit Fußball verplempert. Mit erhobenem Kinn und den Händen in den Hüften erklärte sie uns, die Zeit sei reif, dass wir den Schritt tun, auf den einzig wahren Sport umzuschwenken und die höheren Weihen des Feldhockeys zu empfangen.
    Ich hätte alles getan, was Dusty sagte. Meinetwegen hätte sie uns ewig trainieren können. Selbst wenn sie uns so fertigmachte, dass uns vor lauter Erschöpfung und Hitze fast übel wurde, machte es nichts, denn wir waren mit ihr zusammen, und sie war alles, was wir wollten. Wir waren kurz vorm Kollaps, aber dann sahen wir auf, und sie stand vor uns, mit strahlendem Gesicht, und sagte, ohne es auszusprechen: Das kannst du doch besser, oder? Und wir konnten.
    »Du hättest dich schützen sollen«, sagt Schwester Stang. »Die sollen euch Mädchen doch Hockeybrillen geben.«
    »Wir haben nur zum Spaß gespielt«, sagt Evie und spuckt ihren Mundschutz aus, der ganz rot ist. Wir alle drei starren ihn an.
    »Was zum Henker«, sagt Schwester Stang, plötzlich mit schrillerer Stimme. Sie wirft mir den Eisbeutel zu und guckt tief in Evies Mund, stochert mit dem Finger darin herum und sucht etwas.
    »Ich hab mir auf die Zunge gebissen«, sagt Evie mit belegter Stimme. »Ich hab reingebissen.« Ein Strom Blut läuft ihr übers Kinn und mir wird schwummerig. Ich betrachte den Mundschutz, der sauber durchgebrochen ist.
    »Du«, ruft Schwester Stang mir zu und hält Evies Zunge zwischen ihren neuerdings purpurroten Fingern, »hol mir mal Nadel und Faden.«
    Wir gehen nach Hause, und Evie hält sich dicht an mich, streckt mir die Zunge raus, die Mullbinde kitzelt mich fast im Gesicht. Sie gibt gnadenlos damit an. Wir sind ganz versessen auf Kriegsverletzungen. Oh, war sie wütend, als ich mir den Arm verstaucht habe, als ich von der rostigen alten Rutsche im Rabbit Park gefallen bin!
    »Dein Dad wird bestimmt sauer auf Dusty«, sage ich und lasse den Schläger über den Gehweg kratzen, was ich nicht soll, aber das Geräusch ist irgendwie befriedigend.
    »Glaub ich nicht«, lispelt Evie. »Das gehört zum Spiel.«
    Ich denke an die ringellockige Dusty, die Torhüter-Maske keck über die Stirn geschoben. Dann lass mal sehen, du Wurm.
    »Du hast das Spiel nicht verstanden«, fügt Evie hinzu.
    »Ich verstehe genauso viel wie du, Mamacita«, sage ich und schnipse gegen die Bandage an ihrer herausgestreckten Zunge.
    Vor ihrem Haus bleiben wir stehen. Es steht kein Auto in der Einfahrt, und kein einziges Licht im Haus ist an. Solche Gelegenheiten muss man beim Schopf ergreifen, nur nichts verschwenden.
    »Gehen wir zu Perry’s?«, sagt sie und zupft die Mullbinde endgültig ab. Ich sehe das Fadenkreuz auf ihrer Zungenspitze. Eins, zwei, drei, vier. Einer für jeden Eckzahn.
    Das Perry’s: gestreifte Markise, sonst alles weiß wie weiches Vanilleeis. Alle aus unserer Klasse gehen dorthin. Ab Herbst, wenn wir auf der Highschool sind, müssen wir ins Ram’s Horn Restaurant, wo auch mein Bruder Ted hingeht, und da gibt es nichts unter fünf Dollar und keine Barhocker, auf denen man sich drehen kann, und das Licht ist erwachsenenmäßig gedimmt.
    Ich esse einen Oreo Sundae und muss mir dauernd Kekskrümel aus den Backenzähnen pulen. Evie isst hochkonzentriert ihr Lieblingseis: Reese’s Peanut Butter Cup Sundae – so eins, wo man einen langen Löffel für den ganzen Erdnussbutterschleim unten in der Spitze des Bechers dazubekommt. Sie schiebt sich den Löffel weit hinten in den Mund, um an den Stichen vorbeizumanövrieren.
    Am Tresen stehen ein paar Jungs aus der Schule, werfen die Strohhalmhalter um und knuffen sich, sie wissen gar nicht, wohin mit ihrer Energie. Ihr Lachen klingt wie
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