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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Autoren: Peter Schaar
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unklar, wer für den Schutz ihrer Daten zuständig ist: der Bundesdatenschutzbeauftragte, die Landesdatenschutzbeauftragten oder die in der Hälfte der Bundesländer bei den Innenministerien angesiedelten Datenschutzaufsichtsbehörden?
    Unzureichend sind auch die Sanktionsmechanismen für Datenschutzverstöße: Anzeigen sind meist fruchtlos, denn nur in seltenen Fällen werden Bußgelder verhängt. Die Tatbestände, die als Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden können, sind nur lückenhaft und inkonsistent erfasst. So wird zwar die unzulässige Speicherung von Daten als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld geahndet, nicht jedoch – zumindest im Regelfall – die unzulässige Nutzung gespeicherter Daten, die mindestens in gleichem Maße in das Persönlichkeitsrecht eingreift.
    Auch die gesetzlich vorgesehenen Bußgelder – der Rahmen endet bei 25 000 € bei Formalverstößen wie der unterlassenen Benachrichtigung und bei 250 000 € bei schweren materiellen Verstößen gegen das Datenschutzrecht, wie der unzulässigen Speicherung oder Übermittlung – lösen bei Großunternehmen nur ein mildes Lächeln aus. Wenn man bedenkt, dass für Kartellrechtsverstöße Bußgelder bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes fällig werden und vom Bundeskartellamt bereits Bußgelder in dreistelliger Millionenhöhe verhängt wurden, sind die geringen Bußgelder, die selbst bei schwersten Datenschutzverstößen anfallen, ein bedenkliches Signal mangelnder Wertschätzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Sie laden finanzstarke Unternehmen geradezu dazu ein, Datenschutzverstöße als Kavaliersdelikte anzusehen. Zudem kommen Anordnungen und Untersagungen grundsätzlich nur bei technischen Mängeln in Betracht. Die Aufsichtsbehörden entpuppen sich gegenüber der Privatwirtschaft deshalb allzu oft als zahnlose Tiger.
    Datenschützer müssen sich in einem juristischen Kleinkrieg immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, ob überhaupt personenbezogene Daten vorliegen und ob sie eine Befugnis zur Prüfung und Kontrolle haben. Dies betrifft keinesfalls Randbereiche, sondern gerade die Brennpunkte der Informationsgesellschaft: So wird immer wieder vorgetragen, dass durch Funkchips eben keine Personen, sondern nur Gegenstände verfolgt werden. Das Scoring – so die Befürworter dieses Verfahrens – beurteile keine individuellen Personen, sondern weise nur statistische Wahrscheinlichkeiten aus, und mit der Georeferenzierung würden nur völlig harmlose geografische Daten erhoben. Allen diesen Daten ist aber gerade gemein, dass sie auf Menschen bezogen werden sollen, dass mit ihnen eine Aussage zu konkreten Personen verbunden werden soll. Doch statt sich Gedanken darüber machen zu können, wie hier eine verhältnismäßige Nutzung unter Wahrung der Verbraucherinteressen aussehen kann, werden Datenschützer allzu oft aus der Diskussion ganz herausgehalten oder herausgedrängt.
    Auch wenn der Datenschutz eine ziemlich neue Rechtsmaterie ist, besteht dringender Modernisierungsbedarf des Datenschutzrechts. Die Reform ist vor allem deshalb notwendig, weil die Datenschutzgesetze im Wesentlichen den technischen Stand und die Sichtweise der Siebzigerund Achtzigerjahre widerspiegeln. Seitdem haben sich drastische Veränderungen der technischen Infrastrukturen und der damit abgewickelten Verfahren ergeben. Die universelle Vernetzung über das Internet, die fortschreitende Miniaturisierung der IT-Komponenten und neue Softwaretechniken (vgl. Kap. 2) haben dazu geführt, dass die Informationstechnik immer weniger dem in den Siebzigerjahren geprägten Bild einer zentralisierten Großtechnologie entspricht, das der Datenschutzgesetzgebung zugrunde liegt. Deshalb wird bereits seit Mitte der Neunzigerjahre die Notwendigkeit gesehen, die datenschutzrechtlichen Regeln einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen und den sich verändernden technischen Verhältnissen anzupassen.
    Immerhin muss bei der fälligen Reform des Datenschutzrechts nicht völliges Neuland erschlossen werden, denn wichtige Vorarbeiten sind seit längerer Zeit verfügbar. Bereits die seit Mitte der Neunzigerjahre geführte Diskussion hat wesentliche Grundelemente eines modernen Datenschutzrechts aufgezeigt. Nach dem Regierungsantritt der rot-grünen Koalition im Jahre 1998 war auf parlamentarischer Ebene ein umfangreiches Projekt zur Modernisierung des Datenschutzrechts eingerichtet worden. Zwar schlossen die Professoren Roßnagel, Garstka und Pfitzmann ihr Gutachten zur
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