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Das Ende Der Ausreden

Titel: Das Ende Der Ausreden
Autoren: Brigitte Roser
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Gästezimmer übernachtet hatte. Das seien wirklich schwierige Leute, die würde sie nicht mehr einladen. Illustrierend schilderte sie, wie die Frau am Frühstückstisch auf die obligatorische Gastgeberfrage, ob sie auch gut geschlafen hätte, ein entschiedenes, erschöpftes »Nein!« verlauten ließ. »Muss die mir so was zumuten? Das ist doch unmöglich?!« Wenn die Besucherin schon schlecht geschlafen hat, dann soll sie das lieber für sich behalten, weil sie sonst der Gastgeberin den Morgenkaffee verdirbt, wenn nicht den Tag.
    Der äthiopische Prinz und Bestsellerautor Asfa-Wossen Asserate (»Manieren«) würde ihr vermutlich zustimmen. Für ihn ist eine höfliche Person stets aufmerksam, achtet zuallererst und immer darauf, wie es den anderen geht und was sie zu deren Wohlbefinden beitragen kann. »Auf jeden Fall zu vernachlässigen ist die eigene Person. Sie kennt im Zusammenspiel mit den anderen keine eigenen Bedürfnisse, ist nicht hungrig, nicht durstig, es zieht ihr nicht, sie braucht keinen Stuhl und kein Kissen.« Und sie hat, könnte man noch hinzufügen, auf jeden Fall hervorragend geschlafen …
    Asserate meint das nicht im Mindesten ironisch. Aufmerksamkeit ist für ihn eine absolut notwendige Grundeinstellung dem anderen gegenüber. Unaufrichtigkeit wird aus der Perspektive der so verstandenen Höflichkeit zwingend erwartet und als gutes Benehmen geadelt.

Ausreden sind hilfreich, wenn sie niemandem schaden
    Es gibt den schönen Begriff der »white lies«. Es sind Lügen, die nicht finsterer, sondern heller Gesinnung entstammen. Sie stiften Nutzen oder verhindern Unannehmlichkeit – für den, demgegenüber man sie verwendet, für den, der sie benutzt, meist für beide. Man sagt auch Notlüge, und das klingt viel sympathischer als Lüge. Eine Notlüge betrachten wir als harmlos, sie tut keinem weh, richtet keinen Schaden an.
    Das Telefon klingelt. Ihr Mann schaut gerade einen Western. Er wedelt mit den Händen. Das heißt »Ich bin nicht da!«. Sie gehen ans Telefon und werden zu Ihrer Schwiegermutter dann vielleicht sagen: »Tut mir leid, er ist unterwegs« oder »Er duscht gerade!« Es ist unwahrscheinlich, dass Sie sagen: »Dein Sohn will (jetzt) nicht (mit dir) telefonieren, er zieht es vor, mit Clint Eastwood zu fiebern.«
    Wir verzichten in der Regel auf diese Ehrlichkeit, weil wir durch die Wahrheit keine möglichen Nachteile riskieren wollen, und: weil wir keinen Nutzen in der Aufrichtigkeit sehen. Den Wert der Wahrheit schätzen wir geringer als die offenkundigen Vorteile der Ausrede: Ihr Mann kann weiter ungestört fernsehen, Ihre Schwiegermutter hat keinen Anlass, beleidigt zu sein, und Sie geraten nicht zwischen die Fronten. Eine sehr pragmatische Betrachtung. Kaum jemand würde so etwas lügen nennen. Zu dieser Kategorie gehört es auch, wenn Sie jemanden schonen möchten. Sie werden immer abwägen, ob es sinnvoll ist, dem anderen etwas zu sagen, was ihn kränken oder verletzen könnte. Und das ist auch vernünftig. Manche Wahrheit schafft Kummer und hilft niemandem.

Ausreden sind hilfreich, wenn sie uns schützen
    Das können sie auf vielfältige Weise. Wir können sie verwenden, um es uns leicht zu machen. Wir müssen uns nicht immer zu Ehrlichkeit durchringen. Wir dürfen es auch anderen überlassen, die Fackel der Wahrheit durch die Menge zu tragen, die – wie es in einem russischen Sprichwort heißt – auch Bärte anbrennt. Wir dürfen uns raushalten. Wir können Konflikte, die uns nicht wichtig sind, bedenkenlos vermeiden, können darauf verzichten, uns mehr Baustellen als nötig einzurichten.
    Wir können uns die Freiheit nehmen, unsere Gedanken für uns zu behalten. Das ist, wie die Autorin und Psychologin Ursula Nuber in ihrem Buch »Lass mir mein Geheimnis!« ausführt, ein wichtiger Akt der Selbstbestimmung. Wir können uns damit Ruhe verschaffen, Zeit zum Nachdenken und Entscheiden. Wenn uns unser Partner die Idee ständiger und schrankenloser Offenheit aufdrängen möchte, müssen wir dem nicht entsprechen. Wir können uns schützen, wenn es uns schadet, die Wahrheit zu sagen. Niemand kann uns zwingen, uns selbst zu beschuldigen.
    Wir können uns für und gegen die Wahrheit entscheiden – immer wieder neu.

Aber: Auch hilfreiche Ausreden haben Nebenwirkungen
    Gibt es denn überhaupt etwas auszusetzen an solch freundlichen Lügen? Das gäbe es automatisch, wenn es für uns wichtig wäre, stets aufrichtig zu sein. »Du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen wider deinen
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