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Das Ende Der Ausreden

Titel: Das Ende Der Ausreden
Autoren: Brigitte Roser
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Ausflüchten, die man gebraucht.
    Wer eine Ausrede verwendet, will etwas Unangenehmes vermeiden. Er möchte Ärger, Vorwürfen, Verurteilung oder Strafe entgehen: Die Ausrede soll seine Schuldlosigkeit belegen. Er will etwas nicht tun, wozu er keine Lust hat: Die Ausrede gibt ihm die Legitimation. Oder er versucht, einem Konflikt zu entkommen: Die Ausrede hilft ihm dabei.
    Wenn wir bewusst und zielgerichtet unaufrichtig sind, lügen wir. Die Ausrede ist also eine Form der Lüge. Allerdings ist nicht immer ganz eindeutig, ob wir mit unserer Ausrede vorsätzlich lügen oder ob wir unsere Version nicht doch für wahr halten. Die Übergänge sind fließend. Auch ob die Ausrede sich in erster Linie an die anderen wendet oder mehr eine Funktion für uns selbst erfüllt, lässt sich nicht strikt trennen. Ist die Begründung für den bereits mehrfach abgebrochenen Versuch, sich das Rauchen abzugewöhnen, noch eine Ausrede, die ich mir für die anderen zurechtgelegt habe, oder schon eine Selbsttäuschung? Manchmal entwickelt sich aus oft geübten Behauptungen schleichend ein veritabler Selbstbetrug.
    Aber kann man überhaupt leben, ohne zu lügen, kann man ohne Ausreden auskommen? Nein, das kann man nicht. Und das ist auch nicht erstrebenswert.

Wie wäre unser Leben ohne Ausreden?
    Wenn wir auf all diese kleinen und größeren Halb- und Unwahrheiten, die wir Tag für Tag verwenden, verzichten und uns stattdessen für permanente Aufrichtigkeit entscheiden würden? Keine Lüge aus Höflichkeit, Bequemlichkeit oder Barmherzigkeit mehr, kein Heraus- oder Um-den-heißen-Breiherumreden, keine vorgeschobenen Argumente?
    Das Leben wäre sehr anstrengend und voller oft unnötiger Konflikte. Ausreden sind ein unverzichtbarer Teil des normalen Alltags, sie gehören wohl dazu wie die Butter auf dem Brötchen. Mit ihrer Hilfe manövrieren wir uns an heiklen Klippen des Zusammenlebens sicher vorbei (»Hast du deinen ersten Freund genauso geliebt wie mich?«), machen uns und den anderen das Leben ein bisschen leichter, ersparen uns gegenseitig Kummer und tragen so zu friedlichem Miteinander bei. Ausreden sind Schmierstoff im sozialen Getriebe, Gold wert. Ausreden schützen auch unsere Privatsphäre, unsere Geheimnisse und verschaffen uns Zeit und Ruhe für Entscheidungen, die erst reifen müssen.
    Wenn Sie und ich und alle anderen ab heute – sagen wir für ein Vierteljahr – keine einzige Ausrede verwenden und immer die ganze Wahrheit sagen würden … Wann immer ich bis jetzt jemanden gebeten habe, diesen Gedanken zu Ende zu denken, kamen spontane Vermutungen wie »Dann bin ich in einer Woche gekündigt!«, »Dann verkaufen wir ab morgen nichts mehr und können das Geschäft schließen!«, »Dann habe ich keine Freunde mehr!« oder »Das würde unsere Familie völlig ruinieren«.
    Niemand wird ernsthaft eine Welt wünschen, die ganz und gar ohne die alltäglichen Ausreden auskommt. Viele Ausreden sind harmlos und nützlich.
    Bei anderen Ausreden wäre es hingegen sehr gut, wir würden diese seltener verwenden oder ganz auf sie verzichten. Das würde unser Leben und unser Miteinander zwar nicht leichter, aber interessanter, spannender und produktiver machen.
    Und es gibt Ausreden, die sehr problematisch sind, weil sie uns und unser Leben in Sackgassen bringen. Diesen riskanten Ausreden ist der Hauptteil des Buches gewidmet.
    Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf die hilfreichen Ausreden wenden.

Ausreden sind hilfreich, wenn wir mit ihnen höflich sind
    Wer zu einem Abendessen eingeladen wird und nicht hingehen möchte, sagt vermutlich nicht: »Ich habe keine Lust.« Er bedankt sich für die Einladung und ist: leider verhindert. Er hat selbst Gäste, ist auf einer Dienstreise oder beim Steuerberater. Man möchte den anderen nicht brüskieren. Genauso wenig, wie man einem Gesprächspartner am Telefon, der für etwas, was man in zehn Minuten hätte besprechen können, bereits dreißig verwendet hat, sagt, dass man seiner überdrüssig ist. Nein, man muss nun (»Sorry!«) zu einem Termin, oder es hat an der Tür geklingelt.
    »Keine Lust« sagt man nicht. Das ist nicht nett.
    Es gilt auch als unhöflich, auf die Frage »Wie findest du meine neue Frisur?« wahrheitsgemäß zu antworten: »Habe gar nicht gesehen, dass es eine neue ist!« oder »Die alte fand ich viel schöner!« Und daher sagt man etwas Freundliches.
    Eine Freundin beklagte sich neulich sehr über ein Ehepaar, das über das Wochenende zu Gast gewesen war und im kleinen
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