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Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall

Titel: Das einzig glueckliche Ende einer Liebesgeschichte ist ein Unfall
Autoren: Joao Paulo Cuenca
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Inneren spürt, als hätte jemand ein Streichholz in ihrer Brust angezündet.
    Es war vor zwei Wochen in den privaten Räumen hinter dem Labyrinth aus engen, mit unverständlichen Zeichen vollgekritzelten Fluren im rückwärtig gelegenen Bereich der Abracadabar.
    Ungeachtet der Unruhe um sie herum hatten sich Iulana und Kazumi geschminkt, vor dem Spiegel und unter dem Licht einer Leuchtstoffröhre, und sich dabei auf Englisch über einen betrunkenen Gast in der Nacht davor unterhalten, der unbedingt mit den Tänzerinnen in den Wasserbottich hatte steigen wollen. Plötzlich hatte Kazumi das Gespräch unterbrochen, ihre Hand auf Iulanas Unterarm gelegt und sie gebeten, mit ihr zur Toilette zu gehen.
    Kazumi ist eine der Tänzerinnen der Abracadabar, wo Iulana Romiszowska als Kellnerin arbeitet. Eine der Tänzerinnen in dem Club, in dem Iulana als Kellnerin arbeitet, ist sicherlich eine zu schlichte Bezeichnung für Kazumi. Sie ist die einträglichste und berühmteste Tänzerin des Hauses. Ein privater Auftritt oder auch nur dreißig Minuten Anwesenheit von Kazumi an einem Tisch kann leicht Hunderttausende Yen kosten. Das Foto Kazumis hängt ganz oben in dem goldenen Schaukasten, in dem am Eingang der Abracadabar die Frauen zu sehen sind. Diese Frau mit ihren großen Augen, rosigen Wangen, kleinen Ohren und den stets makellos glatten, schwarzen, hüftlangen Haaren wird begehrt von den Kunden, Geschäftsführern, auch von denen der anderen Häuser in der Straße.
    Als Kazumi plötzlich das Gespräch unterbrochen, ihre Hand auf Iulanas Unterarm gelegt und sie gebeten hatte, sie zur Toilette zu begleiten, trug sie bereits das Kleid in französischem Stil, das sie Stunden später langsam in flackerndem Licht und einer Wolke aus nach Kaugummi riechendem Rauch ihren Körper hinabgleiten lassen würde: Ein Rock und ein Unterrock, die sich zu einem Korselett mit seitlicher Versteifung vereinigten, die ihre Hüften noch stärker betonten. Sie war eine Prinzessin mit all diesen Spitzen, Schleifen, Handschuhen und Strumpfhosen im Stil des Rokoko.
    Wenn sie auf die Bühne kam, konnte sich kaum jemand, der sie zum ersten Mal sah, vorstellen, dass sie am Schluss ihrer Darbietung vollkommen nackt sein würde. Kazumi verrichtet ihre Arbeit mit einer seltenen Begabung und Leichtigkeit – es ist nicht einfach, so viel Kleidung bei so wenig Licht und vor einem so anspruchsvollen Publikum wie dem der Abracadabar auszuziehen, ohne dabei die Anmut zu verlieren.
    Kazumi betrat rückwärts die Toilette und bat Iulana Romiszowska, ihr Kleid hochzuhalten, damit sie sich setzen konnte.
    „Es macht dir doch nichts aus, oder? Ich habe heute früh irgendetwas Schreckliches gegessen und …“
    Das Geräusch von etwas, das ins Wasser platschte, unterbrach Kazumis Worte, bevor sie ihre Strumpfhose bis zu den Knöcheln hinunterziehen konnte. Mit einer ungelenken Umarmung hob Iulana Romiszowska das schwere Kleid ihrer Freundin an, dessen Rock bereits auf die Höhe der Ellenbogen gerutscht war.
    In einer automatischen Bewegung, von der sie selbst überrascht war, griff Iulana Romiszowska mit gestrecktem Arm nach dem Toilettenpapier, drehte an der Rolle und überreichte Kazumi, was sie davon abreißen konnte. Ein kompliziertes Unterfangen, und beide mussten lachen wie Kinder. Kazumi dankte mit ironischer Höflichkeit und beugte ihre rechte Schulter vor, damit sie Arm und Hand mit dem gefalteten Papier zwischen ihren Unterleib und den vorderen Rand der Toilettenschüssel stecken konnte, während die Pobacken gleichzeitig über den Sitz nach hinten rutschten.
    Wie man sieht, kann das nicht funktionieren.
    Kazumi muss also noch einmal von vorne beginnen. Nun steht sie auf, die Beine gespreizt, und auch ihre Füße verharren in ihrer Position auf dem Boden. Iulana Romiszowska nimmt erneut alle Kraft zusammen und hebt Kazumis Kleid noch etwas höher. Beide schwitzen, und Iulana hält den Körper der Freundin umklammert, die sich nun bückt und ihre Hüfte nach hinten schiebt. Schließlich gelingt es Kazumi, sich abzuputzen, den Schmutz zu erwischen, bis das Papier zu Ende ist und keine Flecken mehr darauf zurückbleiben. Während all dieser geräuschlosen Bewegungsabläufe berührt Iulana Romiszowskas Nase Kazumis linke Wange und hinterlässt einen warmen Punkt auf ihrer Haut.
    Oder andersherum: Es ist Kazumis linke Wange, die Iulana Romiszowskas Nase streift. Kazumi ist all das egal, sie atmet erleichtert auf, tritt einen Schritt vor, von der Toilette weg,
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