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Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unserem Metier versuchen.«
    »Ich habe gute Zeugnisse«, antwortete Otto Heinrich und legte Herrn Knackfuß einen Packen Papiere auf den Tisch, die er seiner Innentasche des Rockes entnahm. »Ich habe nie gezweifelt, daß ich meinen Beruf vernachlässigen könnte.«
    »Ich sagte schon einmal, junger Mann: nicht aufs hohe Pferd setzen. Was Sie sagen, das sagen alle, die zu mir kamen! Und was taten sie – sie bestahlen mich, wo sie nur konnten!«
    Dem jungen Apotheker schmeckte das Brot nicht mehr. In einem Atem mit Dieben genannt zu werden, übertraf die Erwartungen, die er in bezug auf Herrn Knackfußens Unhöflichkeit einzustecken sich vornahm. Daß aber ehrliche Kollegen, die nur der Tochter dieses Haustyrannen schöne Blicke schenkten, als tief verwerflich hingestellt wurden, verscheuchte alle Achtung vor dem Meister aus der Seele Otto Heinrichs.
    »Ich bin ein Kummer«, sagte er deshalb stolz. »Ich glaube nicht, daß diese Mahnung bei mir angebracht ist!«
    Die Antwort war vermessen.
    Dem Apotheker verschlug es die Stimme, aber er beherrschte sich, wohl weil er fühlte, daß er in seiner Strenge zu weit gegangen war. Er erhob sich vielmehr, klopfte die Pfeife am Kamin aus und wandte sich dann wieder zu dem neuen Hausgenossen um.
    »Sie kennen Ihre Wohnung sicher schon durch Herrn Bendler. Über die Ordnung im Hause wird er Sie gleichfalls unterrichten. In erster Linie sind Sie mir verantwortlich, auch wenn Sie unmittelbar Herrn Bendler unterstehen und neben sich noch drei Gesellen und Lehrlinge haben. Ich dulde in meinem Hause keine Disziplinlosigkeiten und sehe sehr darauf, daß meine Anordnungen, kaum gesagt, auch befolgt werden. Sie haben bis zum Mittag Zeit, sich einzurichten. – Ich danke Ihnen für Ihre Auskünfte.«
    Er nickte und drehte sich schroff um.
    Betreten ging Otto Heinrich aus dem Zimmer, zögerte an der Schwelle noch einen Augenblick, faßte das kleine Paket, das er noch immer in der Hand hielt, fester und wollte noch einmal anklopfen – dann aber besann er sich, schüttelte stumm den Kopf und ging durch den Flur in einen Seitengang, wo er auf den Riesen Bendler, der anscheinend schon eine lange Zeit hier gestanden und gewartet hatte, stieß.
    »Zu Boden geschmettert und zu Tode betrübt?!« empfing er den Freund mit einem leisen Lachen. Er hieb ihm auf die Schulter, hakte sich dann bei ihm unter und zerrte ihn weg zu einer Tür, die in das Laboratorium führte.
    »In einer Woche überhörst du seine Sticheleien«, sagte er, indem er in den weiten Raum trat, in dem schon die anderen Apotheker an den Geräten standen und mischten und kochten. Von einem Nebenraum, der wohl der Laden sein mochte, tönten Stimmen herein.
    Kummer sah sich im Kreise um.
    Das alte Bild der Flaschen, Retorten, Kolben und Gläser, Kocher, Salbentöpfe, Tiegel und Mörser brachte eine vertraute und sanfte Stille in sein erregtes Herz. Er trat an einen Mörser heran, nahm ihn hoch, roch intensiv an dem Inhalt und wandte sich dann lächelnd an den Riesen Bendler.
    »Rötel, pulvrig zerstampft – zum Färben. Es war die erste Arbeit, die man mir als Lehrling gab.« Er schnupperte mit erhobener Nase im Raume. »Und der Geruch ist auch da … dieser eigentümliche, herbe Geruch der Arzneien … Bendler, ich glaube, ich lebe mich doch ein.« Und leiser fügte er hinzu: »Ich will mir alle Mühe geben, nicht auszubrechen …«
    »Und wenn – lieber Kummer –, dann brechen wir gemeinsam! – So, und jetzt gehe ich erst den Kaffee trinken – und wenn der Alte noch so sehr toben sollte.«
    Otto Heinrich, der den Vormittag nicht untätig vorübergehen lassen wollte, trat unterdes aus dem Haus und schlenderte die Straße entlang durch die Reihe der kleinen, aber sauberen Fachwerkhäuser, bis er zu einem kleinen Birkenwäldchen kam, das sich von einem leicht ansteigenden Hügel bis zum Stadtrand heranschob. Dort setzte er sich auf einen Baumstumpf, legte das kleine Paket auf seine Knie und begann es aufzuschnüren.
    Ganz beschäftigt in der Auflösung der Knoten, bemerkte er nicht, wie ein Mädchen den schmalen Weg über den Hügel zu ihm hinunterstieg und hinter ihm anhielt, ihn eine Zeitlang beobachtend. Als sie sah, mit welch ungelenken Fingern er sich um die Knoten mühte, lächelte sie und trat dann einen Schritt vor, genau vor ihn hin.
    Kummer schreckte auf. Aber noch mehr ergriff ihn ein Schrecken, als er erkannte, wer die Schöne war.
    »Jungfer Trudel«, stotterte er. »Verzeihen Sie meine Überraschung – Sie
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