Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das einsame Herz

Das einsame Herz

Titel: Das einsame Herz
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
alles riesenhaft – säbelte er einen mächtigen Kanten von dem Brot und legte die Butter in Scheiben darauf. Lächelnd sah ihm Otto Heinrich zu, setzte sich aber doch nach dem Waschen zu ihm und aß einige Schnitten des würzigen Gebäckes.
    »So«, sagte nach einer geraumen Zeit der Riese, »jetzt gehen wir hinunter. Wenn der Knackfuß dich anbrüllt, bleibe höflich und bis zu einem gewissen Grade unterwürfig – er kann nichts mehr hassen als eine eigene Meinung. Die Meinung macht bei ihm der Herrgott und der Staat – na ja, du kennst sie ja, die typischen Spießer!«
    Noch einmal bürstete sich Otto Heinrich schnell über den Rock, nahm das kleine Paket, das er in der Kutsche von der Reisetasche in den Mantel gesteckt, in die Hand und folgte dem Freunde die steile Treppe hinunter, die sie durch einen Nebenflur verließen. Auf ihm kamen sie in eine schöne, holzgeschnitzte, mit Spiegeln verzierte Halle, deren gewundene Treppe mit dicken, roten Teppichen belegt war. An den Wänden hingen handgetriebene Tranleuchter, wertvolle Gobelins oder standen alte, zeitgeschwärzte, geschnitzte Möbel und Truhen, deren Wert nur ein Kenner abzuschätzen verstand.
    Vor einer Tür am Fuße der Treppe hielt Bendler an, räusperte sich, warf einen langen Blick auf Otto Heinrich und klopfte dann mit seinen dicken Fingerknöcheln an. Es klang wie ein dumpfes Dröhnen durch die stille Halle.
    Aus dem Kamin antwortete ein Knurren.
    »Das heißt: bitte«, flüsterte der Riese und riß die Tür auf. Aber kaum hatte er den Griff niedergedrückt, als ihm schon eine herrische, harte Stimme entgegenschrie:
    »Wie oft soll ich Ihnen sagen, daß meine Tür keine Pauke ist?! Können Sie nicht leise klopfen?«
    »Guten Morgen, Herr Knackfuß«, antwortete Bendler vergnügt. »Wem Gott eine kräftige Gestalt gibt, dem schenkt er auch ein kräftiges Klopfen.« Er schob den zögernden Otto Heinrich ins Zimmer und postierte ihn vor den herumfahrenden, erstaunten, im ersten Augenblick verblüfften Apotheker.
    Herr Knackfuß mochte Ende der Fünfzig zählen. Seine mittelgroße Gestalt war hager, aber nicht dünn, sein Gesicht knöchern, ohne unschön zu wirken, aber die Augen unter der hohen Stirn und den spärlichen Haaren waren dunkel und stechend, der Mund schmal und wie verkrampft, während die Finger unruhig auf der weißen Tischdecke hin und her fuhren.
    Er trug einen mandelfarbenen Morgenrock mit kecken Verschnürungen, helle, graue Beinkleider mit Lackschuhen und ein Spitzenhemd, das in dieser morgendlichen Kühle durch einen leichten Seidenschal verdeckt wurde. Eine aus Porzellan kunstvoll geformte Pfeife lag in einem silbernen Pfeifenständer, daneben eine Tabaksdose aus schwarzem, geschnitztem Holz und ein aus Kupfer getriebenes Glühbecken mit kleinen, leicht qualmenden Kohlen darin. Das Geschirr aus gemaltem Porzellan war schon zurückgeschoben, der Brotkorb abräumbereit am Ende des Tisches, während die Kanne mit dem Kaffee noch neben der Pfeife stand.
    Mit flackernden Augen blickte Herr Knackfuß von dem einen zum anderen, schob dann plötzlich mit einer hastigen Bewegung den Stuhl zurück und sprang auf, während sich sein etwas gelbes Gesicht in dünne Falten legte.
    Er muß gallenkrank sein, dachte Otto Heinrich Kummer in diesem Augenblick und achtete weniger auf den Blick des neuen Chefs als auf das Spiel der Falten in dem schmalen Gesicht.
    Da schreckte ihn sein Name aus der Betrachtung, und er straffte sich, den Herrn gebührend zu begrüßen.
    »Das ist Herr Otto Heinrich Kummer«, sagte in diesem Augenblick der Riese Bendler. »Der neue 2. Provisor. Sie haben ihn aus Dresden kommen lassen.«
    »Aha – der Kummer!« Herr Knackfuß versuchte ein Lächeln, das in den gelben Falten ertrank. »Wann eingetroffen?«
    »Soeben«, rief Willi Bendler, ehe der Gefragte eine Antwort fand. »Er kam mit der Frühpost um halb sieben.« Dann atmete er auf, denn die größte Klippe war umschifft. Nun mochte der Apotheker fragen – der Wind war aus den Segeln.
    »Sie haben eine gute Fahrt gehabt?« fragte Herr Knackfuß nach einem strengen Seitenblick zu Bendler. »Ihr Herr Vater hat Sie mir sehr warm empfohlen. Aber glauben Sie nicht, daß ich Sie deshalb engagierte. Fürsprachen nützen bei mir nichts – ich will Leistungen sehen.«
    »Daran soll es nicht fehlen«, sagte Otto Heinrich schlicht.
    »Nicht aufs hohe Pferd, junger Mann«, fiel ihm der Apotheker ins Wort. »Ich habe die besten Referenzen von der Hofapotheke in Dresden –
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher