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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich
Autoren: Betty McDonald
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die ich in meine Sparbüchse tat, auf deren Vorderseite ein farbiges Bild Anaconda Smelters prangte. Später gingen Cleve und ich der Sparbüchse mit einer Spitzhacke zu Leibe und erstanden uns für das Goldstück Zuckerzeug.
    Im Frühjahr strolchten wir mit Gammy in den Hügeln umher und paßten auf, nicht in eines der Erdlöcher zu fallen, die unvermittelt, schwarz und tief zu unseren Füßen gähnten. Erdlöcher entstanden überall da, wo man zu Gesteinsprüfungen Erde ausgehoben hatte. Gammy erzählte uns Schauergeschichten von unvorsichtigen kleinen Kindern, die in den Hügeln gespielt hatten und nicht mehr heimgekehrt waren. Viele Jahre später fand man dann ihre kleinen Skelette in Erdlöchern. Wir pflückten Glockenblumen, Maßliebchen und wilden Knoblauch. Die Glockenblumen waren strahlend blau und hoben sich wie winzige Stückchen Himmel von den kahlen, schwarzen Felsen ab. Die Maßliebchen, Wahrzeichen des Staates Montana, hatten wenig Blätter und kurze Stengelchen, und ihre zartrosa Blüten erhoben sich kaum über den verkrusteten braunen Boden. Sehr sorgfältig und behutsam auf die Wurzeln achtend, gruben wir sie aus und pflanzten sie in unseren Garten ein, wo sie prompt eingingen, da die Erdoberschicht von Butte vor Jahren zur Zeit der Erzschürfungen weggespült worden war und unser Garten eigentlich nur noch bröcklige, granithaltige Krumen aufwies. Eine Rasenanlage von der Größe eines Taschentuches zierte unseren Vorgarten.
    Wenn ich dort mit meinen Puppen spielte, hütete ich mich ängstlich, dem »Rasen« zu nahe zu kommen, um ihn ja nicht zu beschädigen. (Wie würde wohl einem Menschen zumute sein, der sein Leben in Butte verbrachte, könnte er die grüne Wildnis sehen, die unsere Hühnerfarm umgibt, wo der Wein sich ins Haus rankt und alles grün, grün, so grün ist, daß einem die Galle hochkommt?)
    Einmal wurden wir im Winter zu einem Gastspiel des Broadway Theaters mitgenommen. Aufgeregt klammerten wir uns an Gammys Hände und brachen in erregtes Schluchzen aus, als die wunderschöne Heldin sich in den ausbrechenden Vulkan stürzte. Im Frühling darauf machten wir einen Ausflug auf den »Großen Butte«, einen kahlen braunen Berg, der ein paar hundert Meter hoch war und fast bis an unseren Hinterhof reichte. Entsetzt entdeckten wir auf dem Gipfel einen Krater, und noch entsetzter hörten wir uns Gammys sachliche Erklärung an, daß dieser Berg, auf dem wir schwer atmend von der Anstrengung des Aufstieges lagerten, ein regelrechter Vulkan sei. Wie die Besessenen rannten wir den Berg hinunter, ab und zu ängstlich über die Schultern zurückspähend in der Erwartung, den braven »Großen Butte«, einem feurigen Ofen gleich, glühende Lavamassen ausspucken zu sehen. Nie wieder wagten wir uns hinauf, und wenn der schweflige Rauch tief über der Stadt lag und den »Großen Butte« einhüllte, waren wir davon überzeugt, daß ein Vulkanausbruch bevorstand.
    Der schweflige Rauch stank abscheulich, aber Gammy veranlaßte uns, tief zu atmen und die Luft einzuziehen. Sie behauptete, der Schwefel desinfiziere unser Inneres. Sie ließ uns auch Unmengen des faulig schmeckenden Wassers aus den »Weißen Schwefelquellen« trinken. Vom reichlichen Genuß der »Herz-Medizin«, dem schwefligen Rauch und dem Wasser der Schwefelquellen hätten wir rein wie Engel werden müssen, aber unglücklicherweise war dies nicht der Fall, sondern wir forschten beharrlich, woher die kleinen Kinder kamen, bis zu dem schicksalsschweren Tag, an dem meine Schwester Mary von einem kleinen Podest, das wir im Hinterhof unseres Hauses errichtet hatten, den versammelten Nachbarskindern verkündete: »Meine Damen und Herren, die kleinen Kinder kriechen aus den Bäuchen der Erwachsenen auf die Welt.« Ich habe noch den Geschmack der »Herz-Medizin« auf der Zunge.
    Gammy ging häufig mit uns in der Stadt spazieren, da wir aber die Augen zukneifen mußten, sooft wir an einer Schenke vorbeikamen, waren diese Spaziergänge ziemlich langweilig und höchstens gesund, weil wir uns in der frischen Luft aufhielten. Einmal forderte sie uns jedoch auf, die Augen aufzusperren, um einen Hut in Hennessys Schaufenster zu bestaunen, der hundertfünf Dollar kostete. Wir konnten es schier nicht fassen. Dreimal pilgerten wir zu der betreffenden Auslage, aber wenn ich heute beschreiben sollte, wie das Prunkstück zu hundertfünf Dollar aussah, wäre ich nicht dazu imstande.
    Manchmal ritten Cowboys in Lederhosen und malerischen Hüten die Mainstreet
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