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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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ihr gesagt, sie sei eine Tochter des Friedens. Sie erkannte natürlich erst viel später, was die Leute damit meinten: Sie meinten, dass sie den Frieden zwischen Menschen und Elfen in Awrahell sichern würde, denn sie war eine Tochter gemischten Blutes, und eines Tages würde sie über zwei Völker herrschen und sie vereinen, so wie sie in ihr vereint waren.
    Aber Ardhes wusste, dass ihr Schicksal nur scheinbar so aussah. In Wirklichkeit spielte sie eine weitaus größere Rolle für die Zukunft der Menschen und Elfen. Viele verschiedene Hoffnungen und Wünsche hatten zu ihrer Geburt geführt, doch es gab nur einen Wunsch, den Ardhes erfüllen würde. Es war der Wunsch der Menschen.
    Seit Urzeiten hatten die Elfen und Menschen um Land und Macht gestritten - sie waren sich zu fremd, um in Frieden zu leben, und zu ähnlich, um sich aus dem Weg gehen zu können. Im Verlauf der Jahrhunderte hatten die Menschen zusehends an Einfluss gewonnen, während die Kräfte des Elfenvolkes schwanden. Es war schon lange her, dass alle Elfen unter einem mächtigen König gestanden hatten, und als Ardhes’ Mutter geboren wurde, war das Elfenvolk bereits in viele kleinere Königreiche, Stämme und Dörfer zersplittert gewesen.
    Awrahell war ein elfisches Königreich. Die felsigen Berge und Klippen waren lange von den Menschen gemieden worden, denn der Boden eignete sich nicht für den Ackerbau. Obwohl Awrahell so unbedeutend war wie ein Stein in einem Gebirge, war es doch eines der größten Königreiche der Elfen, das noch existierte. Und wie alle Elfenreiche drohte es von den Menschen übernommen zu werden.
    Seit einigen Jahrzehnten hatten sich auch Menschen in den Bergen niedergelassen, als hätte das Land nie jemand anderem gehört. Wüste Kriege brachen bald zwischen ihnen und den Elfen aus. Beide beanspruchten das Land für sich. Die Elfen wollten die Städte bewohnen, da es Städte ihres Reiches waren, obwohl die Menschen sie erbaut hatten. Und die Menschen wollten den König von Awrahell nicht anerkennen, da er ein Elf war … Dem Land drohte der Bürgerkrieg, dem elfischen Königshaus der Untergang.
    Da hatte der König von Awrahell eine Idee, um sein Reich vor der Übernahme der Menschen zu sichern. Würde ein elfischer König eine Prinzessin menschlichen Blutes heiraten, würde ihr Kind, der Thronfolger, beide Völker in sich verbinden und den Menschen wie den Elfen ein Herrscher sein. So wäre Awrahell das allererste Reich, das den Menschen und den Elfen gleichermaßen gehörte.
    Eine Prinzessin aus Haradon, dem Nachbarland der Menschen, wurde Königin von Awrahell und schenkte dem Kind das Leben, das den Frieden gewähren sollte. Seit ihrer Geburt war Ardhes dazu erzogen worden, einst eine wichtige Rolle in der Welt zu spielen, auch wenn Awrahell klein war.
    »Denn du wirst nicht die Königin sein, die Elfen und Menschen vereint«, erklärte ihre Mutter ihr oft, wenn sie abends vor dem Kamin saßen, »sondern die Königin, die den Sieg der Menschen über die Elfen bringt!«
    Die Menschen waren listig und klug. Nicht um des Friedens willen in irgendeinem bedeutungslosen Elfenreich hatte eine Prinzessin der Menschen einen Elfenkönig geheiratet. Es war ein Krieg, den die Menschen führten. Und der Feind würde in seinem eigenen Lager vergiftet.
    Oft sprach ihre Mutter über Ardhes’ Schicksal und die Pflicht, die sie für die Menschheit erfüllen musste. »Eines Tages wirst du einen Menschen heiraten«, sagte Königin Jale oft mit leiser, eindringlicher Stimme. »Wenn du einen Menschen heiratest, wird Awrahell einen Menschenkönig haben, und dein Kind … dein Kind wird längst vergessen haben, dass es je elfische Ahnen hatte! So fällt das Reich uns Menschen zu, mein Engel, ganz ohne Blutvergießen.« Wenn die Königin von diesen Dingen sprach, dann lächelte sie, und ihre dunklen Augen begannen zu leuchten, so als habe sie die Kraft, ihr Leben noch hundertmal an der Seite eines Elfenkönigs zu verbringen, nur um die Zukunft den Menschen zu schenken.
    Ardhes’ Vater sagte wenig zu diesen Dingen. Nur einmal hatte er Ardhes anvertraut, dass er die Menschen kannte, die die Welt einmal verändern würden. Doch er gab ihr nie ein Zeichen, dass sie damit gemeint war, und so glaubte Ardhes bald, dass er gelogen hatte.

Die Felshöhlen
    Die ganze Nacht suchte man Alasar vergebens in den Höhlen. Erst als es heller wurde, kehrte er zurück und ließ sich von Magaura umarmen, die sich ohne ihn gefürchtet hatte. Sein Gesicht schien
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