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Das Dornröschen-Projekt - Krimi

Das Dornröschen-Projekt - Krimi

Titel: Das Dornröschen-Projekt - Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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starke Hände. »Fahr«, sagte er und klopfte ihm auf die Schulter. Er lehnte sich zurück und zog kräftig an der Zigarette.
    Als die Ampel Grün zeigte, bog Matti links ab in die Invalidenstraße, fuhr den Europaplatz entlang, das Rolling Horse spiegelte rotsilbrig in der Sonne, dann wieder links, auf die Bundesstraße 96, durch den noch winterbraunen Tiergarten, vorbei am Platz der Republik, an Komponistendenkmal und Siegesallee, bis die Beton- und Glasmonstren des Potsdamer Platzes ragten und das Licht der Abendsonne zurückwarfen, links hinein in die Potsdamer Straße, bis auf Höhe des Sony Center die heisere Stimme ertönte: »Jetzt halten.« Und es kam Matti vor, dass der Mann zwar Deutsch sprach, aber kein Deutscher war, die Betonung und das R klangen osteuropäisch.
    Das Taxameter zeigte 6,80 Euro, und der Mann reichte das Geld genau abgezählt nach vorn, brummte etwas und stieg aus. Matti sah ihm nach, wie er im Sony Center verschwand. So wehrlos hatte er sich noch nie gefühlt. Er kochte vor Wut. Dieses unverschämte Arschloch. Und dann grinste ihn auch noch die Legogiraffe frech an unter ihrer blau-weißen Mütze. Er beschloss, das als Zeichen zu verstehen, seinen Arbeitstag zu beenden. Ülcan würde grummeln, aber der Chef grummelte sowieso immer.
    Matti steuerte den Wagen nach Neukölln, in die Manitiusstraße, wo Ülcan seine drei Taxis und ein winziges schmuddeliges Büro in einem Hinterhof untergebracht hatte, an dessen einer Ecke seit Jahren Autowracks, ein altes Kreidler-Moped, Fahrradteile und sonstiger Schrott rosteten, ein idealer Spielplatz für die kreischende Horde, die hier nachmittags durch die Gegend tobte. Der Verkehr floss zäh, aber das war Matti egal, auch dass er an diesem Tag wenig verdient hatte, seine Gedanken waren bei Lily. Immer neue Bilder fielen ihm ein. Als wäre ein Damm gebrochen, strömten sie in sein Hirn, fast wäre er auf einen Kleintransporter aufgefahren, und einmal erinnerte ihn ein wütendes Hupen daran, dass die Ampel auf Grün geschaltet hatte. Er passierte die Recyclingcontainer an der Ecke Nansenstraße und sah, dass die Hofeinfahrt geschlossen war. Auf dem dunkelgrün lackierten Tor prangte seit Jahren, rot, ziemlich mittig und kaum verblasst, Fuck you! und Anarchie . Er stieg aus und erntete den bösen Blick einer Frau mittleren Alters mit Kopftuch in einem alten Golf hinter dem Taxi, die mit ihrem Sohn auf dem Beifahrersitz reichlich nervös schien. Sie traute sich nicht vorbeizufahren, obwohl genug Platz gewesen wäre. Er schob das Tor nach oben und verfluchte Ülcan, weil er nicht darauf achtete, dass es wenigstens tagsüber offen blieb. Aber die Verfluchung war ein hilfloser Akt, eher Ausdruck von Resignation, denn wenn er Ülcan anmachte, würde der bei Allah und dem Propheten schwören, dass es nie wieder geschehen würde und dass nur eine böse Seele es ihm – natürlich ihm, wem sonst? – angetan habe. Dass es vor allem seine Fahrer nervte, war ihm gleichgültig, denn in Ülcans Welt gab es nur drei Dinge, die ihn wirklich interessierten, und das waren der Prophet, Allah und vor allem er selbst.
    Matti fuhr den Wagen in die Einfahrt, die Frau hatte ihn keines Blicks mehr gewürdigt als höchsten Ausdruck ihrer Verachtung.
    Detlevs Wagen stand schon vor dem Bürofenster, das man besser als Luke bezeichnet hätte. Es war der gleiche alte E-Klasse-Diesel, den er auch fuhr, nur mit gut fünfzigtausend Kilometern weniger auf der Kurbelwelle. Matti parkte neben Detlevs Benz. Er kannte den Kollegen auch schon länger als zwanzig Jahre. Der immer etwas transusige Detlev hatte nicht den Umweg über die Uni genommen, sondern war so etwas wie Kfz-Schlosser und war angeblich früher Chauffeur von einem reichen Pinkel gewesen, der seine letzten Tage allerdings in Moabit verbracht hatte. Was genau der Typ angestellt hatte, wusste Matti nicht, es ging um Puffs und verbotene Zockereien. Jedenfalls hatte es für einen 600er gereicht, die Langversion, wie Detlev versicherte. Aber sonst stellte er sich dumm, und Matti fragte nicht weiter. Ülcan waren solche weltlichen Abseitigkeiten egal, sah man vom Geld ab, das seine Fahrer ihm einbrachten, auch wenn er es in Wahrheit allein Allah verdankte.
    Neben dem Eingang zum Büro lehnte Mattis Damenfahrrad mit der alten Torpedo-Dreigangschaltung und der grau-schwarzen Satteltasche, die er zum Einkaufen brauchte. Wenn er nicht arbeitete, fuhr Matti nur mit dem Fahrrad, außer bei Glatteis und Orkan. Dann zwängte er sich

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