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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition)
Autoren: Ewald Arenz
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schwarzem Samt ausgeschlagen war. Nah am Fenster gab es ein paar schwarze Gestelle, die ein wenig so aussahen wie die Bohrer beim Zahnarzt, bei dem Lilli einmal gewesen war. Sie schauderte ein bisschen. In den breiten Sonnenstreifen waren auch Pinzetten säuberlich nebeneinander aufgereiht und einige eigenartige Werkzeuge mit dicken, runden Holzgriffen, die vom vielen Angreifen schon so glatt geworden waren, dass sie glänzten. Es war eine freundliche Werkstatt, fand Lilli.
    Großvater van der Laan war an die Wand gegangen, in die ein großer Tresor eingelassen war. Wieder holte er die Kette aus der Hosentasche und schloss, diesmal mit zwei Schlüsseln, den Tresor auf. Die Tür schwang auf, und Lilli buchstabierte halblaut »Chatwood’s Intersected Steel Safe«.
    Paul drehte sich zu ihr um und lächelte:
    »Das ist Englisch«, sagte er und las es ihr noch einmal richtig vor.
    »Die Engländer bauen die besten Tresore der Welt«, sagte Großvater van der Laan, während er eine der Schubladen herauszog und die Steinchen hineingab. Dann öffnete er eine andere Schublade und nahm ein Kästchen heraus.
    »Setzt euch«, befahl er den Kindern, und sie ließen sich auf die Bank nieder, die auf der ganzen Länge des Werktisches im Raum stand. Lilli legte die Hände neben sich auf die Sitzfläche. Sie war angenehm kühl, weil sie auch in vielen Jahren der Arbeit ganz glatt geworden war. Der Großvater öffnete das Kästchen und suchte drei Steine heraus.
    »Haltet die Hände auf«, sagte er dann, »und nicht fallen lassen.«
    Alle drei bekamen einen Diamanten in die Hand. Lilli, die es immer noch ein bisschen schade fand, dass Diamanten nicht so groß wie im Märchen waren, hielt den ihren sofort in einen der Sonnenstreifen.
    »Oh!«, sagte sie dann. Es war der erste geschliffene Diamant ihres Lebens, und sie sah ihn im Licht eines Juninachmittags in der wunderbaren Unendlichkeit eines Kindheitssommers. Sie sah die bunten Schatten, die der Diamant auf ihre Handfläche warf: blau wie der weite Himmel dieses Tages. Leuchtend rot wie vor einer Woche, als sie sich zwei Klatschmohnblätter auf die Augen gelegt und durch sie in die Sonne gesehen hatte. Ein spielendes, strahlendes Gelb, das für ihre Augen ganz bestimmt nach Zitronen schmeckte. Bunte Schatten – das hatte sie noch niemals vorher gesehen. Und immer neu fielen diese leuchtenden Schatten, immer neu glitzerte und funkelte es auf ihrer Hand, dass es war, als würde man die Augen kitzeln.
    »In dem Diamant ist viel mehr Licht, als er groß ist!«, sagte sie überwältigt, und Großvater van der Laan lachte, weil er wusste, was sie meinte.
    »Vor ziemlich genau vierzig Jahren«, sagte er dann, »haben drei Kinder in Südafrika auf der Farm ihres Vaters Johannes Jacobus Jacobs im Gebüsch gespielt. Wahrscheinlich nicht gerade Cowboy und Indianer«, lächelte er Paul und Wilhelm an, »das war noch nicht modern, und in Afrika werden sie eher Neger und Weißer Mann gespielt haben, aber Kinder sind Kinder. Vielleicht haben sie auch nach einem Schatz gegraben, so wie ihr eben, auf jeden Fall haben sie einen Stein gefunden.«
    Lilli hörte zu, aber noch immer sah sie fasziniert den Diamanten auf ihrer Hand an, bewegte sie leicht und ließ die Farben in immer neuen Reflexen auf der Haut spielen.
    »Abends«, fuhr der alte van der Laan fort, während er auf dem Holztisch Werkzeuge ordnete, »haben sie ihn mit nach Hause gebracht, und alle haben den hübschen Stein bewundert. Ein Nachbar war zufällig da, ein Niederländer wie ich, Schalk van Niekerk, der hatte so ein bisschen Ahnung von Mineralien und dachte sich, dass das schon ein besonderer Stein sein könnte, aber er wusste auch nicht, was für einer.«
    »Es war ein Diamant, oder?«, fragte Wilhelm gespannt. »Es war bestimmt ein Diamant!«
    Er drehte sich zu Paul um, aber der zuckte die Schultern, weil er die Geschichte auch noch nicht kannte.
    »Wartet ab«, sagte sein Großvater lächelnd in seinem weichen, gefärbten Deutsch, »wartet ab. Schalk wollte Frau Jacobs Geld anbieten, aber die hat gesagt, das käme gar nicht in Frage und unter Nachbarn und so, und wo käme man da hin, wenn man für Steine Geld nehmen wollte.«
    »Donnerwetter!«, sagte Lilli mit ihrer hellen Mädchenstimme, und nach einem Augenblick mussten die drei anderen laut loslachen.
    »Donnerwetter!«, wiederholte der Alte heiter. »Na, du bist ja ein reizendes Frauenzimmerchen!«
    »Erzählen Sie weiter, Großvater!«, bat Paul.
    »Na, jedenfalls war es
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