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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro
Autoren: J.J. Voskuil
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getratscht, Kollegen fallen ihm auf Sitzungen öffentlich in den Rücken, er muss sie sogar mehrfach zur Räson bringen, sie an ihre Aufgabe erinnern und daran, welches Ziel damit verbunden war.
    Er hat mehr zu tun als jemals zuvor: Vorträge schreiben, die Brotstudie durchführen, Sitzungen abhalten über die Frage, ob man Dritte-Welt-Kaffee oder den üblichen Douwe Egberts ausschenkt (der Kantinenbetreiber sammelt die Wertmarken), mit in- und ausländischen Kommissionen und dem Ministerium beraten, Besucher einweisen, Telefonate beantworten, in der Mittagspause auf Bitten Nicoliens Kartoffeln holen sowie der unbekannten und (schon aus diesem Grund) beängstigenden Universitätsbibliothek einen Besuch abstatten – eine Übung in Slapstick, mit Maarten in einer Glanzrolle und mindestens so interessant wie Mr. Bean.
    Über, hinter und unter all diesen Szenen aus den Jahren 1979 bis 1982, die so oft Anlass für ein Schmunzeln und manchmal sogar für Lachtränen bieten, liegt der Fluch der Vergeblichkeit und der bitteren Isolation. Beim Lesen des fünften Bandes
En ook weemoedigheid
(«Und auch Wehmütigkeit»), dessen Titel auf Willem Elsschots berühmtes Gedicht «Die Ehe» verweist, gefriert einem das Lachen auf den Lippen.
    Die Vergangenheit wird unwiederbringlich verbessert, die Infantilisierung schreitet voran. «Der Mensch ist ein Spielball zufälliger, sich fortwährend verändernder Umstände», schreibt Maarten in einem Brief an den Wissenschaftler Vreeburg. Die unaufhaltsame Bewegung ist nur wahrnehmbar, wenn man zumindest
versucht
, die Welt für einen Moment anzuhalten – wie es in den sieben Bänden des Romans geschieht. Es gelingt nie zur Gänze, doch zu zeigen, dass es nie ganz gelingen kann, ist ein Verdienst, und sicher kein geringes. Keine Wissenschaft, wohl aber ein Beweis: das Merkmal echter Literatur.
    Arjan Peters, geboren 1963, ist Redakteur und Literaturkritiker der niederländischen Tageszeitung «de Volkskrant». – Aus dem Niederländischen von Gerd Busse

Eine Übersetzung wie ein Schrank
    Von Gerd Busse
    «Ich kann nicht verstehen, dass ein Buch, dessen Wortschatz dreihundert Wörter nicht übersteigt, bei uns als große Literatur gefeiert wird», sagte der Schriftsteller Adriaan van Dis einmal etwas abschätzig über die Qualitäten des 5000-Seiten-Opus
Het Bureau
von J. J. Voskuil. Zwar ist dies übertrieben – der Wortschatz Voskuils ist reicher als von van Dis unterstellt –, doch im Kern hat er Recht:
Het Bureau
ist ein Roman, der ohne jede Prätention und in einer ganz einfachen Sprache geschrieben ist, die manchmal wie in Stein gemeißelt wirkt und dennoch von erstaunlicher Kraft ist. Doch wie übersetzt man einen Roman wie
Het Bureau
so, dass er auf deutsche Leser eine ähnlich starke Anziehungskraft ausübt wie auf niederländische?
    Die wichtigste Regel für den Übersetzer findet sich vielleicht in
Het Bureau
selbst. Dort heißt es in einer Entgegnung Maarten Konings auf die Frage des Institutsdirektors Beerta, ob er sich die neue Stelle in seinem Büro auch zutraue: «Ich werde meine Sache so gut machen, wie es mir möglich ist. So wie ein Tischler einen Schrank macht.» So könnte man auch
Het Bureau
übersetzen: wie ein Tischler einen Schrank macht. Es bedeutet, dass man nach einer Vorlage arbeitet, die es – mit den zur Verfügung stehenden Materialien – möglichst originalgetreu zu kopieren gilt. Doch die Kopie muss am Schluss nicht nur aussehen wie das Original, sondern sie muss auch so funktionieren.
    Aber geht das so einfach?
    Die Schilderungen des niederländischen Büroalltags weisen zwar eine Reihe von skurrilen Eigenarten auf, doch sie stellen an keiner Stelle ein Hindernis für das Verständnis der Handlung dar. Sie sorgen im Gegenteil für den notwendigen Schuss Exotik und dienen dem Übersetzer als willkommene Gelegenheit, den Leser daran zu erinnern, dass er sich in einem
niederländischen
Roman befindet. Das eigentliche Thema des Romans, die moderne Arbeitswelt mit ihrem sozialen Beziehungsgeflecht, ist ohnediesso universell, dass sich jeder Leser – Niederländer oder nicht – darin wiederfinden kann.
    Karteikästen im Amsterdamer Meertens Instituut (Foto Cor Mooij)
    Etwas schwieriger ist es hingegen, die niederländische
kantoortaal
in eine deutsche Bürosprache zu übertragen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, wenn bei einer typisch niederländischen Wendung eine Entsprechung im Deutschen gefunden werden muss, die inhaltlich dasselbe bedeutet,
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