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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro
Autoren: J.J. Voskuil
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Hasenrücken essen zu müssen, obwohl er es eigentlich gar nicht wollte, so befangen, dass er nicht hörte, was die anderen bestellten, und erschrak, als er an der Reihe war. „Ich will keine große Vorspeise“, sagte er.
    „Die Vorspeisen sind hier immer bescheiden“, half Pieters. „Sie brauchen keine Angst zu haben, dass Sie sich überessen.“
    „Dann nehme ich Hummer“, sagte Maarten aufs Geratewohl und dachte dabei an den Krabbencocktail, den Nicolien im letzten Jahr zu Weihnachten gemacht hatte.
    „Ich schlage vor, dass wir auf die neue Formel für unseren Atlas anstoßen“, sagte Pieters und erhob sein Glas.
    „Wie lautet die Formel?“, fragte Maarten und nahm sein Glas in die Hand.
    „Vollständigkeit!“, antwortete Pieters.
    Sie erhoben die Gläser, nahmen einen Schluck, erhoben sie erneut und stellten sie wieder neben ihren Teller.
    Der Kellermeister kam an ihren Tisch. „Herr Stadtdirektor?“, fragte er höflich und mit einer kleinen Verbeugung.
    „Ah“, sagte Pieters. „Bringen Sie uns einen guten Weißwein, ich denke da an einen Sancerre“, er legte seine Hand auf den Arm des Kellermeisters, „und suchen Sie uns einen Rotwein, der zum Hasenrücken passt. Ich verlasse mich auf Sie!“
    Während der Kellermeister sich entfernte, wandte sich Pieters Maarten zu. „Herr Beerta wird nächstes Jahr fünfundsechzig und gibt dann seine dienstliche Stellung auf.“
    „Ja“, sagte Maarten, griff mechanisch zu seinem Glas und umklammerte es mit seinen Fingern.
    „Ich habe die Absicht, zu diesem Anlass eine Sonderausgabe von
Ons Tijdschrift
herauszubringen. Darin erwarte ich einen Artikel von Ihnen sowie einen umfassenden biographischen Abriss, in dem die Bedeutung von Herrn Beerta für die Wissenschaft ausführlich dargestellt wird. Zusätzlich werde ich auch die Mitglieder Ihrer Kommission einladen, einen Beitrag zu liefern, so dass es eine Ausgabe wird, die den großen Verdiensten von Herrn Beerta für unser Fach angemessen Rechnung trägt.“ Er sah Maarten aus der Nähe an.
    Maarten hatte das Gefühl, als stürze die Welt über ihm zusammen. Er erstarrte, betrachtete sein Glas und nahm einen Schluck. Für einen kurzen Moment sah er Beerta auf der anderen Seite des Tisches sitzen, wie er etwas rot angelaufen mit einem vergnügten Gesicht an seinem Aperitif nippte. „Darüber werde ich erst einmal nachdenken müssen“, sagte er und sah Pieters wieder an.
    „Denken Sie darüber nach“, sagte Pieters in einem warmen Ton und tippte ihm auf den Arm, „und lassen Sie mich so bald wie möglich wissen, wie Ihre Entscheidung ausgefallen ist. Ich zähle auf Sie!“ Er wandte sich von ihm ab und richtete das Wort an Beerta. „Herr Beerta!“
    Was er zu Beerta sagte, entging Maarten. Abwesend sah er zu, wie der Kellner die Suppe austeilte und ein Sortiment an Gabeln, Zangen und Haken rund um seinen Teller legte. Er löffelte seine Suppe aus und sah kurz darauf zu seinem Entsetzen, dass man einen vollständigen Hummer vor ihn hinstellte. De Brouckere sagte etwas zu ihm. Er reagierte darauf mit einem Lächeln und gab irgendeine Antwort, an die er sich bereits im nächsten Augenblick nicht mehr erinnern konnte.Während er vergeblich mit einem Haken und einer Zange im Hummer herumzustochern begann, fühlte er sich todunglücklich. Als die anderen ihre Vorspeise verzehrt hatten, gab er seine Versuche auf und ließ den Hummer abräumen, in der traurigen Gewissheit, dass er ein besseres Los verdient hatte. Der Kellermeister brachte den Wein. Er zeigte Pieters das Etikett, entkorkte die Flasche und ließ ihn probieren. „Kennen Sie diesen Wein?“, fragte Pieters Maarten, als der Kellermeister sich wieder entfernt hatte. Er zeigte ihm die Flasche. Es war ein Margaux aus dem Jahr, in dem Maarten sein Studium beendet hatte.
    „Nur dem Namen nach.“
    „Am Wein soll man nicht sparen“, meinte Pieters.
    […]
    Sie betraten die hohe Halle des Bahnhofs und stiegen zu den Gleisen hinauf. Der Zug, der dort abfahrbereit stand, war überheizt, und sofort kehrten Maartens Kopfschmerzen zurück, und zwar noch heftiger als zuvor. Außerdem war ihm jetzt auch noch übel, so übel, dass er Angst hatte, sich übergeben zu müssen. Er zog das Fenster auf und lehnte sich hinaus, holte tief Luft und sah auf das gegenüberliegende Gleis, wo Leute wartend hin- und hergingen. Als sich der Zug in Bewegung setzte, blieb er noch eine Weile stehen, bis sie die Überdachung verlassen hatten. Er schob das Fenster wieder zu
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