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Das Buch mit dem Karfunkelstein

Das Buch mit dem Karfunkelstein

Titel: Das Buch mit dem Karfunkelstein
Autoren: dtv
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Tagsüber waren die Fensterbögen auch nicht mit Holzläden verschlossen, weil man beim Schreiben so viel Licht wie möglich brauchte.
     Die Schreiber beklagten sich im Herbst und Winter oft über kalte Füße und klamme Finger.
    Paul ging gleich weiter, aber Jakob blickte sich erst einmal neugierig um. Er hatte schon viel vom Skriptorium des Klosters
     gehört, aber er war noch nie hier gewesen.
    Wie in jeder Werkstatt sah es nach Arbeit aus. Vier hohe Pulte standen an der Fensterseite des Raumes. Auf ihrer schrägen
     Schreibfläche lagen Pergamentbögen. Rechts davon waren Löcher ins Holz gebohrt, in denen Tintenhörner und Federkiele steckten.
     Auf jedem Pult war eine Kerze befestigt, damit auch jetzt im Herbst das Licht zum Schreiben ausreichte.
    In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch für Werkzeuge und Pergamentbögen, die noch bearbeitet werden mussten, bevor
     man sie benutzen konnte. Das war normalerweise Pauls Aufgabe. Er schnitt sie zurecht, faltete sie, zog feine Linien zum Beschreiben
     – das alles tat er sehr gerne. Er liebte Bücher, und hier lernte er, wie sie gemacht wurden. Das große Regal an der gegenüberliegenden
     Wand war mit verschiedensten Zutaten für Tinten und Farben gefüllt: Steine, Kohle, Pflanzen, Wurzeln, Blattgold. Bald würde
     Paul auch üben, wie man daraus die Farben richtig mischte.
    Paul blickte sich suchend um, aber Bruder Gregor war nirgends zu sehen. Hildebert, ein junger Mönch mit blassem, schmalem
     Gesicht und einem hellblonden Haarkranz um die Tonsur, blickte von seiner Arbeit an einem der Schreibpulte auf. Er musterte
     Jakob erstaunt, blickte Paul mit gerunzelten Brauen an und wies dann mit dem Finger an die Decke. Paul nickte.
    »Was meint er?«, fragte Jakob verwirrt.
    »Er will sagen, dass Bruder Gregor und die anderen Schreiber oben in der Bibliothek sind«, flüsterte Paul. »Eigentlich sprechen
     wir hier nicht«, fügte er noch hinzu.
    »Ja, aber   …« Jakob blickte von einem zum anderen und wusste nicht, was er tun sollte.
    Hildebert war unschlüssig, das sah man ihm an, aber er wollte unbedingt wissen, wer der zweite Junge war. »Manchmal machen
     wir bei der Arbeit auch eine Ausnahme. Und wen hast du da mitgebracht, Paul?«, fragte er neugierig.
    Das ging Hildebert eigentlich nichts an, aber Paul musste dem Mönch antworten. »Das ist mein Freund Jakob. Er geht hier zur
     Äußeren Schule und möchte sich die Bibliothek ansehen.«
    Hildebert wurde vorsichtig. »Ich weiß nicht, was Bruder Gregor davon halten wird. Schließlich ist heute bereits ein Buch verschwunden.«
     Vielsagend blickte er Paul an.
    Paul unterdrückte seinen Zorn über die unausgesprochene Verdächtigung. Doch wie morgens im Kapitelsaal wurde er auch jetzt
     wieder rot. Er ärgerte sich darüber, denn er hatte das Buch ja nicht gestohlen.
    »Der Diebstahl wird sich aufklären«, sagte Hildebert nach einer Weile zuversichtlich. »Wenn du nur zur Vernunft kommst und
     das Buch zurückgibst.«
    Jakob schnappte nach Luft. Was sollte das denn heißen? Er wollte seinen Freund verteidigen, aber Paul trat ihm leicht auf
     den Fuß und schüttelte den Kopf. Jakob biss sich wütend auf die Lippen, aber er schwieg. Was immer hier los war, Paul musste
     seine Gründe für sein Verhalten haben.
    Paul versuchte, Hildebert von dem Diebstahl abzulenken,und zeigte auf das Pult. Der Mönch war dabei, ein Bild auf die vorgesehene Stelle des Pergaments zu malen.
    »Was ist das?«, fragte er und merkte, dass er genau die richtige Frage gestellt hatte.
    »Oh, das ist etwas ganz Besonderes. Es ist ein Gebetbuch, ein Stundenbuch«, erklärte Hildebert eifrig. »Bru der Gregor hat mich gebeten, diesen Auftrag zu übernehmen, was ich natürlich gerne getan habe, zumal es sich um die Gräf… Ich
     sollte eigentlich nichts darüber verraten!«, unterbrach er sich plötzlich und blickte die Jungen zögernd an. Aber dann platzte
     es aus ihm heraus. »Die Gräfin hat es in Auftrag gegeben. Sie will es dem Grafen Wilhelm zu Weihnachten schenken.« Erschrocken
     schlug er sich mit der Hand auf den Mund. »Ihr dürft nichts darüber verraten!«, flüsterte er eindringlich. »Ich glaube zwar
     nicht, dass ihr auf der Burg ein und aus geht, aber trotzdem. Es soll geheim bleiben. Es ist eine Überraschung.«
    Jakob blinzelte seinen Freund an und verbiss sich ein Grinsen. Wie gut, dass Bruder Hildebert keine Ahnung davon hatte, dass
     ihr bester Freund Hannes auf der Burg lebte!
    Ein Windstoß fuhr durch
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